Die Premiere des neuen Wertungssystems bei den Deutschen Meisterschaften im Synchronschwimmen in Berlin sorgt für Überraschungen. Trotz Herausforderungen durch das komplexe Bewertungssystem setzten sich die Top-Leute wie Klara Bleyer durch. Das strategische Element des Sports wird im neuen System verstärkt. Synchronschwimmen entwickelt sich zu einer strategischeren Disziplin.
Die diesjährigen Deutschen Meisterschaften im Synchronschwimmen in Berlin waren für die meisten Teilnehmer*innen nicht nur der erste Wettkampf der Saison, sondern auch die ersten nationalen Titelkämpfe nach der zweistufigen Implementierung des neuen Wertungssystems – eine doppelte Premiere also.
Die letzten Titelkämpfe im November 2023 in Bochum lagen gerade einmal vier Monate zurück – nicht gerade viel Zeit für die Vereine, um die Küren komplett auf das neue System umzustellen. Insgesamt zehn Vereine stellten sich dieser Herausforderung. So lief die erste DM mit dem neuen Wertungsystem.
So lief die erste DM mit dem neuen Wertungsystem
Den Auftakt machten die Solistinnen. Die WM-Fünfte Klara Bleyer (Freie Schwimmer Bochum) lag schon nach der Technischen Kür trotz einer Base Mark mit über 40 Punkten Vorsprung in Führung. In der Freien Kür zeigte die Junioreneuropameisterin dann eine fehlerfreie Leistung. Sie sicherte sich damit in der für die Deutschen Meisterschaften maßgeblichen kombinierten Wertung die Goldmedaille vor Amélie Blumenthal Haz(SB Bayern Nürnberg) und Aleksandra Atanasova (SC Wedding Berlin).
Schon am ersten Tag zeigte sich, dass die Wettkämpfe der Freien Küren eine größere Herausforderung sowohl für die Difficulty Technical Controller (DTC) als auch die Synchronisation Technical Controller (STC) werden sollten. Aufgrund des erforderlichen Videobeweises bei Base Marks sowie bei Punktabzügen für „große Fehler“ in der Synchronisation gab es teilweise Unterbrechungen von mehr als fünf Minuten zwischen den Küren.
Für die Sportler*innen bedeutet dies eine zusätzliche Belastung, die Wartezeit vor dem eigenen Auftritt wird fast unberechenbar. Konzentration und Spannung müssen damit über eine ungewisse Zeit aufrechterhalten werden.
Premiere mit Überraschungen
Das neue System sorgt allerdings auch für Spannung und Überraschungen, wie in der Technischen Kür der Duette zu sehen war. Klara und Johanna Bleyer (Freie Schwimmer Bochum) gingen hier als WM-Teilnehmerinnen als vermeintlich sichere Siegerinnen in den Wettbewerb. Doch es sollte anders kommen.
Zusammen mit ihrer Trainerin Stella Mukhamedova haben die beiden ihre Kür bereits auf das gerade erst veröffentlichte Update im Wertungssystem von World Aquatics angepasst. Dieses kam bei den Deutschen Meisterschaften aufgrund der Kurzfristigkeit noch nicht zum Einsatz kam. Sie konnten die Änderungen aber noch nicht automatisieren und leisteten sich mehrere Fehler in der letzten Übung, die sich in einer Base Mark und fast 20 Strafpunkten in der Synchronität (für die gesamte Kür) niederschlugen. So wurde es am Ende „nur“ Platz drei. Die jungen Schwimmerinnen aus Nürnberg (Amélie Blumenthal Haz/Daria Tonn) und München (Maria Denisov/Zsofia Szalkay) nutzten ihre Chance und sicherten fehlerfrei die Plätze eins und zwei sicherten.
Neues Jugend-Duett gesucht
Mit einer dominanten Darbietung in der Freien Kür sicherten Klara Bleyer und Susana Rovner tags darauf trotzdem das DM-Gold im Duett für Bochum, vor Blumenthal Haz/Tonn und Denisov/Szalkay. Der Wettbewerb wurde mit besonderer Spannung verfolgt, weil dort ein neues Jugend-Duett für internationale Aufgaben gesucht wird, nachdem Klara Bleyer der Jugendklasse entwachsen ist.
Die Duette aus Nürnberg und München haben sich dafür bereits in eine gute Ausgangslage gebracht. Beide werden ihre Küren aber noch einmal komplett überarbeiten müssen. Der Weltverband veröffentlichte Anfang März nämlich neue Regelungen zur Limitierung von Rotationen und zu den Unterwasserzeiten, die im Jugendbereich ab der JEM Ende Juni auf Malta umzusetzen sind. Es wird sich zeigen, welches Duett diese Adaptionen besser umsetzen kann.
Strategisches Element wird im neuen Wertungssystem immer wichtiger
Das Münchener Mixed-Duett mit Solène Guisard und Robin Wiehn zeigte ebenfalls eine schöne Kür und überzeugte das Wertungsgericht mit viel Dynamik und Ausstrahlung. Die beiden bilden erst seit knapp vier Monaten ein neues Paar und harmonisieren bereits sehr gut miteinander. Mit 157,2417 Punkten in der Technischen Kür verfehlten sie dort nur knapp die internationale Bestleistung des bisherigen deutschen Mixed-Duetts mit Frithjof Seidel und der inzwischen zurückgetretenen Michelle Zimmer.
In der Gruppe ging der Titel im kombinierten Ergebnis der beiden Teilbewerbe an den ausrichtenden SC Wedding Berlin vor der SG Stadtwerke München und dem TSV Neuburg. In der abschließenden Acrobatic Routine gab es lediglich eine Freie Kür. Dort gelang dem Team der Freien Schwimmer Bochum mit einem fehlerfreien Auftritt mit sehr hohen und sauber ausgeführten Sprüngen und Hebefiguren die erfolgreiche Titelverteidigung.
Das Fazit der ersten DM mit dem neuen Wertungssystem
Synchronschwimmen hat sich von einem kreativen zu einem äußerst strategischen Sport entwickelt. Für viele Vereine, die keine internationale Erfahrung haben, heißt es jetzt umzudenken. Es gilt die Erfahrungen dieser DM zu verarbeiten, zu analysieren und die Schlüsse daraus im täglichen Training umzusetzen. Die Trainer*innen haben die schwere Aufgabe, die richtige Mischung aus Schwierigkeitsgrad, Kreativität und strategisch ausgewählten Elementen zu finden und gleichzeitig die gerade erst veröffentlichten Änderungen von World Aquatics einzuarbeiten.
Die Aktiven dürfen an der Ausführung ihrer Elemente als auch der Synchronität und Präzision der Küren arbeiten. Denn auf diesen Meisterschaften hat sich deutlich gezeigt, wie stark die Synchronität im neuen System aufgewertet wurde. Eine vergessene (oder zu viel eingebaute) Kopf- oder Armbewegung wird mit einem Abzug von drei Punkten bestraft. Gerade bei weniger erfahrenen Athlet*innen können sich solche Fehler häufen. Diese führen dann zu extremen Abzügen.
Ein großer Dank geht vor diesem Hintergrund an die Schiedsrichterin Annette Gäßler. Sie hatte bereits im Vorfeld eine Mammutaufgabe zu stemmen und gemeinsam mit dem Technischen Komitee (Gabriele Kornbichler, Petra Obermark und Cornelia Stadlmayr) schon eine Woche vor dem Wettkampf alle Coach Cards kontrolliert und mit den Vereinen noch einmal Rücksprache gehalten hatte. So wurde verhindert, dass es nicht aufgrund der mangelnden Erfahrung zu noch höheren Punktabzügen kommt. Dies war eine nicht vorgeschriebene, aber sehr großzügige und entgegenkommende Aktion.