So lief die Olympiaquali im Wasserspringen

Philip Häfner
Philip Häfner
15:55

Die Turmwettbewerbe bei den Internationalen Deutschen Sommermeisterschaften brachten emotionale Entscheidungen zur Olympiaqualifikation im Wasserspringen. Timo Barthel verabschiedete sich mit zwei DM-Titeln und sicherte sich das Olympiaticket für Paris im Einzel und Synchron. Bei den Frauen entschied Jette Müller das 3m-Brett für sich, während Lars Rüdiger im 3m-Springen triumphierte. Spannende Wettkämpfe führten zu überraschenden Ergebnissen und hochklassigen Duellen.

Wasserspringerin Jette Müller wird freudig von Teamkollegin umarmt© Jo Kleindl

Jette Müller tritt wie Timo Barthel in Paris in zwei Disziplinen an

Die schönsten Geschichten schreiben bei den Internationalen Deutschen Sommermeisterschaften die Turmwettbewerbe. Timo Barthel feiert einen erfolgreichen Abschied, bei den Frauen entscheiden Nuancen über das Olympiaticket. So lief die Olympiaquali im Wasserspringen:

Als „letzten Tanz vom Turm“ hatte Timo Barthel seinen Auftritt bei den Internationalen Deutschen Sommermeisterschaften im Wasserspringen im Vorfeld bezeichnet, schließlich feierte der Hallenser bei den Titelkämpfen in Berlin zumindest auf nationaler Ebene seinen Abschied vom Turmspringen – sein Körper macht die enormen Belastungen aus zehn Metern nicht länger mit. In Paris (FRA) wartet auf den Routinier allerdings noch eine Extrarunde auf internationaler Bühne, genauer gesagt: zwei. Nach seinen beiden DM-Titeln zunächst im Turm-Synchronspringen mit Jaden Eikermann (SV Neptun Aachen) sowie anschließend auch im Einzelwettbewerb vor seinem Synchronpartner wurde Barthel vom Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV) in beiden Disziplinen für einen Start in der französischen Hauptstadt vorgeschlagen. Die endgültige Entscheidung über die Nominierung traf Anfang Juni der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als zuständiges Nationales Olympisches Komitee.

Auf dem Brett sind sie Konkurrenten

Für Barthel war es durchaus eine etwas seltsame Situation, dass er erst mit und dann gegen Jaden Eikermann das Olympiaticket sichern musste. Die beiden verstehen sich auch privat sehr gut, wenige Tage vor den Deutschen Meisterschaften waren sie noch gemeinsam unterwegs beim Fußball – für Eikermann (19) ist der neun Jahre ältere Barthel ein Vorbild und fast eine Art großer Bruder. Aber, so hatte der Europameister schon im Vorfeld betont: „Er ist derjenige, mit dem ich mich messen muss, Freundschaft hin oder her. Sobald Turm-Synchron vorbei ist, ist er mein Gegner.“ Schon bei den vorherigen Wettkämpfen hatte der 28-Jährige immer ganz genau beobachtet, wo sich sein nationaler Konkurrent befindet. „Wenn man sich die Statistik anguckt, bin ich international in den letzten drei, vier Jahren immer vor ihm gewesen“, sagte Barthel, genau wie jetzt in Berlin. Der Routinier ist damit einer von nur zwei Wasserspringer*innen im voraussichtlichen Olympiakader des DSV, der in Paris gleich doppelt zum Zug kommt.

„Er ist derjenige, mit dem ich mich messen muss, Freundschaft hin oder her.”

Die andere ist Jette Müller im 3m-Einzel und 3m-Synchronspringen, die damit eine lange Rostocker Durststrecke beendet. Denn auch wenn am dortigen Stützpunkt schon seit Jahren hervorragende Arbeit geleistet wird, hat es trotzdem fast ein Vierteljahrhundert gedauert, seit Sydney (AUS) 2000 mit der Teilnahme von Dörte Lindner und Stefan Ahrens, bis der örtliche WSC nun wieder eine Athletin zu Olympia schicken kann. „Das ist eine große Ehre für mich“, sagte Müller. Es war ihr erster DM-Titel vom 3m-Brett, und den erkämpfte sie in beeindruckend souveräner Manier. In allen drei Runden – Vorkampf, Halbfinale und Finale – übertraf sie deutlich die Olympianorm und setzte sich damit vor Saskia Oettinghaus (Dresdner SC 1898) und der im Vorfeld favorisierten Lena Hentschel (Berliner TSC) durch.

Auch diese beiden hatten in allen drei Runden jeweils den geforderten Punktwert erfüllt, am Ende lag die Dresdnerin auch in der Addition aller Punkte vor ihrer Berliner Konkurrentin und sicherte sich damit den zweiten deutschen Startplatz in dieser Disziplin, während Lena Hentschel als WM-Sechste von Doha (QAT) überraschend leer ausging. Tags darauf trug sie dafür im 3m-Synchronfinale an der Seite von Jette Müller den Sieg und das Olympiaticket davon. Nun hoffen natürlich alle, dass sich die Geschichte wiederholt und Hentschel in Paris wie schon 2021 in Tokio (JPN) – damals noch mit der inzwischen zurückgetretenen Tina Punzel – womöglich wieder die erste Medaille für Schwarz-Rot-Gold gewinnt. Auch diesmal ist das 3m-Synchronspringen wieder das erste olympische Finale mit deutscher Beteiligung.

Lars Rüdiger sichert Olympiaticket

Auch Lars Rüdiger hatte in Tokio zusammen mit Patrick Hausding Bronze im 3m-Synchronspringen gewonnen, in diesem Jahr kommt er nun erstmals im Einzel zu olympischen Meriten. „Für mich ist das fast noch eine größere Leistung“, meinte er. Bei den Deutschen Meisterschaften konnte sich der 28-Jährige vom Berliner TSC gegen Europameister Moritz Wesemann (SV Halle) durchsetzen, der als Zweiter aber ebenfalls nach Paris fahren wird. Schlüssel zum Erfolg waren sehr saubere Eintauchphasen und große Sprunghöhen, die der Sieger auch den Brettern in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (SSE) zuschrieb. „Die schmeißen einen so hoch, wenn man den Absprung gut trifft, das sind optimale Bedingungen hier. Ich hoffe, dass es die dann auch in Paris gibt“, so Rüdiger. Bereits im März konnte er beim Weltcup an gleicher Stelle als Dritter in einem Weltklassefeld glänzen und befindet sich gerade in der Form seines Lebens.

„Umso größer ist der Stein, der mir jetzt vom Herzen gefallen ist“

Fast ebenso sehr wie über das eigene Ergebnis freute sich Rüdiger über die Leistung seiner Freundin Christina Wassen (Berliner TSC), die sich am gleichen Tag den Titel im Turmspringen sicherte. Für Wassen war es bereits das vierte DM-Gold hintereinander. Dabei hatte die EM-Zweite von 2023 im Vorfeld gesundheitliche Probleme gehabt; in der Woche vor dem Wettkampf war sie sich noch nicht sicher, ob sie überhaupt würde antreten können. „Umso größer ist der Stein, der mir jetzt vom Herzen gefallen ist“, sagte sie. Nach den Corona-Spielen 2021 kommt die 25-Jährige in Frankreich zu ihrer zweiten Olympiateilname. „Ich bin sehr glücklich. Das werden höchstwahrscheinlich auch meine letzten Spiele werden, umso schöner ist es, noch mal Olympia so zu erleben, wie man es kennt“, sagte sie.

© Jo Kleindl

Lars Rüdiger geht 2024 erstmalig mit einer Einzeldisziplin bei den Olympischen Spielen an den Start

Aber nicht nur Christina Wassen, auch ihre Schwester Elena Wassen auf Rang zwei und die Drittplatzierte Pauline Pfeif (beide ebenfalls Berliner TSC) überboten in allen drei Runden durchweg die Olympianorm. Entsprechend eng ging es im Kampf um den zweiten Startplatz hinter der Siegerin zu. Es war ein hochklassiger Wettkampf. Einer, der die Nerven aller Beteiligten bis aufs Äußerste strapazierte – ein echter Turm-Thriller also. Alle drei Athletinnen erfüllten damit die Voraussetzung für eine Olympianominierung, am Ende lag Pauline Pfeif in der Addition der Punkte aus Vorkampf, Halbfinale und Finale hauchdünn – um sechs Punkte – vor Elena Wassen, die damit vorerst das Nachsehen hatte. Als Ersatzathletin zur Absicherung der beiden Startplätze wurde im Anschluss an die Titelkämpfe allerdings auch sie vom DSV für Paris vorgeschlagen, auch hier hat nun der DOSB das letzte Wort.