Zwischen Titelträumen, WM-Normzeit und gesellschaftlichem Engagement: Warum Rückenschwimmer Ole Braunschweig sich für die DM in Berlin besonders viel vorgenommen hat – sportlich wie persönlich.

In den vergangenen beiden Jahren feierte Ole Braunschweig stets Doppelsiege auf den Rückenstrecken bei der DM
Im sportlichen Bereich geht es für Ole Braunschweig dieser Tage um viel. Bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin (01. – 04. Mai) möchte sich Deutschlands schnellster Rückenschwimmer nicht nur zum dritten Mal in Folge das Titel-Double über 50m und 100m sichern, sondern sich auch für die Weltmeisterschaften in Singapur (11. Juli – 03. August) qualifizieren.
„Ich versuche, das Bestmögliche aus mir herauszuholen“, meinte der 27-Jährige von der SG Neukölln, dessen Hauptrennen gleich zum DM-Auftakt am Donnerstag ansteht. „Ich dachte im Winter ja lange, der A-Cut würde reichen für ein WM-Ticket. Aber dann kamen im Dezember plötzlich deutlich anspruchsvollere Normzeiten heraus als erwartet.“
Statt 53,94 Sekunden (A-Cut des Weltverbandes) fordert der Deutsche Schwimm-Verband e.V. (DSV) nun 53,50 Sekunden für einen WM-Einzelstart über 100m Rücken. Braunschweig muss also sehr nahe an seine Bestzeit (53,47) herankommen – in einer nacholympischen Saison mit nachvollziehbaren Abstrichen etwa durch nachzuholende Bundeswehrlehrgänge ist das alles andere als selbstverständlich.
Zeitplan und Startlisten der DM
Aufnahme der 50m-Strecken ins Olympiaprogramm motiviert
Ohne Einzelnorm bliebe zwar noch der Umweg über die Lagenstaffel, die die WM-Norm in Summe der Einzelzeiten bereits erfüllt hat. Aber auch hier braucht Braunschweig sicher Topzeiten, um sich als Nummer eins über 100m Rücken der nationalen Konkurrenz zu erwehren. „Die jungen Wilden versuchen schon, auf den Thron zu kommen. Ich habe aber noch genug Biss, meinen Platz zu verteidigen“, sagte Braunschweig mit Blick auch auf seinen Trainingspartner Vincent Passek.
Der 19-Jährige vom Berliner TSC ist in so manchem Training bereits schneller unterwegs, zuletzt auch bei den Wettkämpfen im Vorfeld der DM. Braunschweig meinte dazu aber: „Jungs wie Vincent oder Oskar Schildknecht werden ihren Weg nach oben sicherlich finden. Aber so schnell will ich nicht aufgeben. Schwimmen macht mir immer noch Spaß. Deswegen habe ich mich entschieden weiterzumachen.“
Die kürzlich getroffene IOC-Entscheidung, die 50m Rücken ab 2028 ins Olympiaprogramm aufzunehmen, sorgt für zusätzlichen Rückenwind. Auch weil Braunschweig die Zugehörigkeit zum DSV-Kader nun auch über den Kurzsprint erreichen kann – und für kommende Saison hier sogar schon erreicht hat. „Die IOC-Entscheidung ist revolutionär und definitiv unterhaltsam für die Fans. Für mich persönlich geht damit sogar ein Traum in Erfüllung. Ich habe nun mal viele schnelle Fasern, tue mich bei der Ausdauer dagegen schwerer. Ich bin bereits deutschen Rekord geschwommen und habe auch EM-Bronze gewonnen über 50 Meter Rücken, das aber immer mit dem Training für die 100 Meter. Ich bin sehr gespannt, was möglich ist, wenn man sich künftig mal voll auf die kurzen Sachen fokussieren kann.“
Aufklärung über Neurodivergenz als Herzensangelegenheit
Abseits des Sportlichen leistet Braunschweig dieser Tage ebenfalls viel. Nicht nur als Aktivensprecher des DSV-Schwimmteams schaut er nämlich gern auch über den Beckenrand hinaus. So unterstützt er gemeinsam mit Weltmeisterin Angelina Köhler („Zusammen lässt sich leichter darüber sprechen“) eine Aufklärungskampagne über Neurodivergenz und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), die aktuell in den Sozialen Medien läuft. Sein eigener Beitrag für “Gemeinsam ADHS begegnen” wird dort ganz bewusst am Tag vor der DM veröffentlicht.
“Ich möchte die Gesellschaft aufklären und aufrufen, ADHS nicht mehr als ,Krankheit‘ zu sehen – sondern als eine andere Art zu denken, zu fühlen, zu sein.“
Braunschweig spricht dabei aus eigener Erfahrung, auch bei ihm wurde ADHS diagnostiziert. Schwimmen war für ihn daher immer schon nicht nur Sport, sondern auch Ausgleich. „Ich hatte extreme Probleme in der Schule wegen meiner geringen Aufmerksamkeitsspanne und hyperaktiver Schübe. Es gab viele Einträge ins Muttiheft, ständig offene Knie oder Ellenbogen“, so Braunschweig. „Es ist mir wichtig, darüber aufzuklären, dass das nichts Schlimmes ist. Im Gegenteil: Wenn man es dann halbwegs im Griff hat und der Fokus steht, ist damit viel Gutes möglich. Ich möchte die Gesellschaft aufklären und aufrufen, ADHS nicht mehr als ,Krankheit‘ zu sehen – sondern als eine andere Art zu denken, zu fühlen, zu sein.“
Anschaulich beschrieb zuvor auch Angelina Köhler ihr Anliegen bei der Kampagne. „Die ADHS ist für mich wie eine Medaille: Es gibt immer zwei Seiten. Manchmal weiß ich nicht weiter. Und dann gibt es Momente, in denen ich komplett in meinem Hyperfokus aufgehe und sich alles ganz leicht anfühlt.“ So einen Moment wünscht sie sich während der DM. Und noch mehr als für sich, da sie ja für die WM als Titelverteidigerin bereits fest gesetzt ist, auch wieder ihrem Kumpel Ole Braunschweig.
DSV-Normzeiten für die WM 2025
Normerfüllungen | Frauen | Strecke | Männer | Normerfüllungen |
---|---|---|---|---|
24,80 | 50m Freistil | 22,00 | Josha Salchow 21,99 | |
Nina Holt 53,81 | 54,20 | 100m Freistil | 48,20 | Josha Salchow 48,02 |
1:57,10 | 200m Freistil | 1:46,30 | Lukas Märtens 1:44,25 | |
Isabel Gose 4:03,65 Maya Werner 4:06,04 | 4:08,70 | 400m Freistil | 3:47,00 | Gesetzt: Lukas Märtens Oliver Klemet: 3:43,40 Florian Wellbrock 3:45,29 Sven Schwarz 3:46,71 |
Isabel Gose 8:20,42 | 8:31,80 | 800m Freistil | 7:47,10 | Sven Schwarz 7:38,12 Lukas Märtens 7:39,10 Florian Wellbrock 7:41,10 Oliver Klemet 7:44,92 |
Gesetzt: Isabel Gose | 16:15,80 | 1500m Freistil | 14:57,50 | Florian Wellbrock 14:36,25 Sven Schwarz 14:36,82 Oliver Klemet 14:39,03 Johannes Liebmann 14:57,00 |
Gesetzt: Angelina Köhler | 58,00 | 100m Schmetterling | 51,60 | Luca Nik Armbruster 51,21 Josha Salchow 51,28 |
2:09,40 | 200m Schmetterling | 1:55,70 | ||
59,90 | 100m Rücken | 53,50 | ||
Lise Seidel 2:10,76 | 2:11,50 | 200m Rücken | 1:57,60 | Lukas Märtens 1:56,00 |
Anna Elendt 1:05,72 | 1:06,80 | 100m Brust | 59,70 | Gesetzt: Melvin Imoudu Lucas Matzerath 59,19 |
Anna Elendt 2:23,54 | 2:25,60 | 200m Brust | 2:10,60 | |
2:11,40 | 200m Lagen | 1:58,10 | ||
4:41,90 | 400m Lagen | 4:15,50 | Cedric Büssing 4:13,56 | |
3;38,65 Nina Holt 53,81 Nina Jazy 54,71 Julianna Dora Bocska 54,87 Nicole Maier 55,26 | 3:39,79 | 4x100m Freistil | 3:15,40 | 3:13,61 Josha Salchow 48,02 Rafael Miroslaw 48,36 Kaii Liam Winkler 48,41 Luca Nik Armbruster 48,82 |
7:54,94 Nina Holt 1:58,33 Isabel Gose 1:58,38 Maya Werner 1:58,81 Julia Mrozinski 1:59,42 | 7:57,50 | 4x200m Freistil | 7:09,95 | 7:05,71 Lukas Märtens 1:44,25 Timo Sorgius 1:46,88 Jarno Bäschnitt 1:47,10 Rafael Miroslaw 1:47,48 |
3:56,50 Lise Seidel 1:00,64 Anna Elendt 1:05,72 Angelina Köhler 56,33 Nina Holt 53,81 | 4:01,37 | 4x100m Lagen | 3:35,33 | 3:34,20 Lukas Märtens 54,18 Melvin Imoudu 1:00,32 Luca Nik Armbruster 51,21 Josha Salchow 48,30 |
3:43,51 Lukas Märtens 54,18 Lucas Matzerath 59,19 Angelina Köhler 56,33 Nina Holt 53,81 | 3:46,70 | 4x100m Lagen Mixed | 3:46,70 | 3:43,51 Lukas Märtens 54,18 Lucas Matzerath 59,19 Angelina Köhler 56,33 Nina Holt 53,81 |
3:24,90 Nina Holt 53,81 Nina Jazy 54,71 Josha Salchow 48,02 Rafael Miroslaw 48,36 | 3:28,42 | 4x100m Freistil Mixed | 3:28,42 | 3:24,90 Nina Holt 53,81 Nina Jazy 54,71 Josha Salchow 48,02 Rafael Miroslaw 48,36 |
Stand 04.05.2025 14:00 Uhr |