Warum “Tarzan” Johnny Weißmüller als Schwimmer unbesiegt blieb

Erik Eggers
Erik Eggers
18:54

Hollywood machte Johnny Weißmüller als Filmfigur Tarzan weltberühmt. Zuvor war er als Schwimmer unbesiegt und Star der Pariser Spiele von 1924. Sein Vorsprung entstand durch die damals neue Kraultechnik.

Johnny Weißmüller hatte eine tolle Schwimmtechnik, das zeigt er hier 1936, also lange nach seiner aktiven Karriere als Schwimmer© pa

Johnny Weißmüller hatte eine tolle Schwimmtechnik, das zeigt er hier 1936, also lange nach seiner aktiven Karriere als Schwimmer

Der erste Olympia-Auftritt des Schwimmwunders aus Chicago, Illinois, am 16. Juli 1924 im Stade Nautique rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Zuschauenden staunten über die frappierende Überlegenheit des Johnny Weißmüller im Vorlauf über 400m Freistil. Der österreichische Reporter Willy Meisl dagegen monierte, der 19-Jährige habe seine Konkurrenz lächerlich gemacht: auf den letzten Metern bereits seine Arme und Beine „geschlenkert“ und seinen Teammitgliedern auf der Tribüne zugewunken. „5:22,4 ist also seine Schlafenszeit“, bilanzierte Meisls konsterniert. Und das war erst das der Anfang: “Tarzan” Johnny Weißmüller sollte als Schwimmer über Jahre unbesiegt bleiben.

Siege beim Schwimmen und dazu Bronze beim Wasserball

Nach dem Finale über diese Strecke feierte auch Meisl den modernen Schwimmstil des US-Amerikaners: „Weißmüller, eine Riesenfigur, stark wie ein Baum, schwimmt mit langen, demzufolge langsam aussehenden mächtigen Armzügen. Er crawlt schon in der Luft, wenn er vorm Starte geht. Sein Rücken liegt merkwürdig hoch im, nein aus dem Wasser, und seine Kraft gestattet ihm, wenn es nottut, jeden Extraspurt.“ Der ersten Goldmedaille Weißmüllers sollten noch zwei weitere über 100mFreistil und in der 4x200m-Staffel folgen, außerdem gewann er Bronze mit dem Wasserball-Team. Weißmüller war der große Star der Olympischen Spiele 1924 in Paris, Medaillen in zwei verschiedenen Sportarten an einem Tag gewann bis heute auch kein anderer Wassersportler. Dass er das Publikum zwischendurch auch noch gern mit Einlagen vom Sprungturm unterhielt, machte ihn bei diesem zusätzlich beliebt.

Johnny Weißmüller im Hollywoodstreifen "Tarzans geheimer Schatz": Der Urwaldschrei war dabei sein Markenzeichen© pa

Johnny Weißmüller im Hollywoodstreifen “Tarzans geheimer Schatz”: Der Urwaldschrei war dabei sein Markenzeichen

Der Mann, der später als Unterwäsche-Modell ein Vermögen verdiente und als Filmfigur „Tarzan“ in zwölf Hollywoodfilmen zu Weltruhm kam, provozierte also die Expert*innen bei seinem ersten olympischen Auftritt. Auf der anderen Seite war er nur die hervorstechendste Figur des US-Teams in den 1910er- und 1920er-Jahren. 1922 war er als erster Mensch der Welt über 100m Freistil unter einer Minute geschwommen (58,4 Sekunden). Während seiner Amateur-Karriere, die bis Weihnachten 1928 andauerte, sollte er im Freistil kein einziges Rennen verlieren. “Tarzan” Johnny Weißmüller blieb als Schwimmer tatsächlicher unbesiegt,

Überlegen dank des damals neuen Sechser-Beinschlags

Aber das US-Schwimmen produzierte eben auch viele anderes Stars, etwa Duke Kahanamoku aus Honolulu, der schon 1912 und 1920 die Freistilrennen dominierte, 1924 mit seinem 14 Jahre jüngeren Bruder Samuel hinter Weißmüller die weiteren 100m-Medaillen abräumte und als Surfer weltberühmt wurde. Oder die US-Girls Ethel Lackie, Mariechen Wehselau und Gertrude Ederle, die 1924 alle Medaillen über 100m Freistil abräumten.

Diese Dominanz beruhte nicht allein auf strukturiertem Training in den US-Colleges und -Schwimmclubs. Wenn Weißmüller in den 1920ern „eines der ganz großen Sport-Phänomene“ (Meisl) werden konnte, hatte das vor allem einen anderen Hintergrund: Vorsprung durch Technik. Denn die US-amerikanischen Coaches entwickelten in dieser Zeit erst den „American Crawl“ zum überlegenen Stil im Schwimmen – der bis heute die Sportart prägt. Der Legende nach waren es indigene Völker, die zuerst Kraul-Techniken anwandten. Anfang der 1870er-Jahre war es der Engländer John Trudgen, der sie übernahm und damit eine Revolution im Schwimmen auslöste – bis dato dominierten das Brustschwimmen und am Ende des 19. Jahrhunderts noch Seiteschwimmen; mit dieser Technik wurde der Berliner Emil Rausch 1904 in St. Louis letztmals im Freistil Olympiasieger. Bei dem gleichen Event aber siegten auf den Kurzstrecken bereits die US-Boys, die nun den „Australian Crawl“, den Schwimmerinnen wie Anett Kellerman aus dem von Trudgen weiterentwickelt hatten, noch einmal modifizierten.

Drei Olympiasiege 1924 folgten noch zwei weitere 1928

Entscheidende Figuren dabei waren Charles Meldrum Daniels, Olympiasieger 1904 über 220 Yards, 440 Yards und in der Staffel über 4×50 Yards. Gemeinsam mit Louis de Breda Handley, ebenfalls Mitglied der Sieger-Staffel von 1904, tüftelte er in New York an einer Weiterentwicklung der Wechselschwimmart. Sie setzten auf einen gestreckteren Armzug mit maximaler Reichweite und einer erhöhten Schnelligkeit und damit Frequenz des Beinschlages. Damit erreichten sie, dass pro Armzyklus mit je einer Zugphase von rechtem und linkem Arm ein Sechserbeinschlag – drei links, drei rechts – möglich wurde. Auch die Kopfhaltung und Atemtechnik passten sie geringfügig an: Der American Crawl war erfunden.

Handley trainierte vor 1924 die Schwimmlegende Gertrude Ederle; die neue Freistiltechnik ermöglichte es der deutschstämmigen Weltrekordlerin zwei Jahre später, als erste Frau den Ärmelkanal zu durchschwimmen und, zumal sie schneller war als jeder Mann vor ihr, die berühmteste Geschichte des Frauensports zu schreiben. Und auch der jüdische Schwimmtrainer Bill Bachrach schulte Weißmüller, den er Ende 1920 entdeckte, im Illinois Athletic Club in Chicago in dieser Technik, bevor dieser im folgenden Herbst erstmals auftrat und die ersten Rekorde brach. Mit den beiden Goldmedaillen von 1928 im 100m Freistil und in der 4x200m-Staffel kam Weißmüller, der freilich auch über eine sensationelle Wende verfügte, auf insgesamt fünf Olympiasiege.

Johnny Weißmüller 1927 im Illinois Athletic Club mit all seinen Pokalen© pa/AP

Johnny Weißmüller 1927 im Illinois Athletic Club mit all seinen Pokalen

Als Donauschwabe geboren und mit Pass des Bruders unterwegs

Tarzan” Johnny Weißmüller blieb als Schwimmer unbesiegt. Aber erst nach seinem Tod im Jahr 1984 in Acapulco (MEX), hier war er verarmt mit seiner fünften Ehefrau gelandet, enthüllte der ungarische Journalist Victor Banciulescu, dass die Freistillegende gar nicht in Pennsylvania geboren worden war, sondern am 2. Juni 1904 in Freidorf, einem kleinen Dorf in der Nähe von Temeswar, das mehrheitlich von Donauschwaben bewohnt wurde. Sein Taufname: Hans Weißmüller, ungarisch Janos. Im Januar 1905 war die Familie via Rotterdam in die USA ausgewandert. Vor Paris hatte Weißmüller in seiner Not, da er keinen US-Pass besaß, die Identität seines 1905 in Pennsylvania geborenen Bruders angenommen. Tatsächlich war der Superstar der Spiele vor 100 Jahren, der den American Crawl weltweit populär machte, also bei seinen ersten drei Olympiasiegen bereits 20 Jahre alt.

Affe sorgt für eine berühmte TV-Panne

Als einer der großen Athleten des Jahrhunderts kam Johnny Weißmüller 1971 noch mal ins „Aktuelle Sportstudio“, schließlich sprach er aufgrund seiner Herkunft ja auch noch Deutsch. Wegen seiner „Tarzan“-Filme gab man ihm dabei einen Schimpansen auf den Arm. Dieser zog in einer überraschenden Attacke Weißmüllers Gattin Maria Baumann die Perücke vom Kopf. Während ZDF-Moderator Dieter Kürten vor Scham fast im Boden versank, reagierten die Gäste sympathisch gelassen.

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