Nicht nur die unwirtlichen Bedingungen im Alten Hafen von Doha bremsen die deutschen Freiwasserstars bei der Titelverteidigung. Jeannette Spiwoks verpasst zudem weiteren Quotenplatz für Paris knapp.
Auch bei den Weltmeisterschaften 2024 in Katar erklang wieder Beifall für Leonie Beck und Florian Wellbrock. Der Weltverband World Aquatics ehrte die beiden Deutschen nach ihren Doppeltriumphen von Fukuoka (JPN) im vergangenen Jahr zu „Athletes of the Year“ für das Jahr 2023. Einen Scheck über je 10.000 US-Dollar gab es zur Zeremonie jeweils obendrauf. Und auch für die aktuelle Olympiasaison bleibt eine solche Auszeichnung weiterhin denkbar. Auch wenn die Aktiven des Deutschen Schwimm-Verbandes e.V. (DSV) bei den WM-Rennen im Alten Hafen von Doha diesmal kein Edelmetall einheimsten. Denn abgerechnet wird erst bei den Sommerspielen, nicht im Winter.
„Wir müssen da jetzt einen Haken dranmachen und nach vorne gucken.“
Im Gegensatz zur Konkurrenz, die die Formkurve für den Kampf um die Olympiastartplätze bei dieser WM zu einem ungewohnten Zeitpunkt zuspitzen musste, konnten die DSV-Asse bei ihrer bewährten Saisonperiodisierung bleiben und die Rennen nach der im Vorjahr gesicherten Olympiaqualifikation diesmal aus dem vollen Training heraus bestreiten. Natürlich hätten sich Beck (Platz 20 über 10km und Platz 14 über 5km), Wellbrock (29. und 9.) und auch der letztjährige WM-Dritte Oliver Klemet (Elfter und Achter) trotzdem bessere Platzierungen gewünscht. Aber man kriegt auf diesem Level nun mal nichts geschenkt – von den auf der Olympiadistanz siegreichen Topstars wie Sharon van Rouwendaal (NED) und Kristóf Rasovszky (HUN) schon mal gar nicht.
Die wichtigsten der 3.900 Trainingskilometer kommen jetzt erst noch
„Es ist nicht das, was ich mir vorgenommen habe“, räumte denn auch Wellbrock ein. „Im Endeffekt ist es aber auch ,nur‘ eine Weltmeisterschaft im olympischen Jahr, die Zielstellung steht insgesamt woanders. Deswegen müssen wir da jetzt einen Haken dranmachen und nach vorne gucken.“ Alles ist auf das Olympiarennen in Paris (FRA) ausgerichtet. Die entscheidenden Trainingskilometer und Höhentrainingslager auf dem Weg dorthin kommen noch. Ein Drittel des Jahresumfangs von 3.900 Kilometern hatte Wellbrock bis zur WM erst absolviert.
Wichtige Erkenntnisse für den weiteren Saisonverlauf lieferte der Trip zum Persischen Golf aber trotzdem. „Ich glaube nach wie vor, dass mir das unruhige Wasser und die niedrige Temperatur nicht ganz so liegen wie den anderen“, analysierte Wellbrock. „Bei kabbeligem Wasser sind Leute mit einer hohen Frequenz einfach ein bisschen besser aufgestellt. Ich habe jetzt versucht, meine Frequenz von Anfang an hochzunehmen, aber das ist natürlich nicht das normale Schwimmen, das ich sonst beherrsche.“ Beim Olympiastart im August seien zum Glück auch sonst ganze andere Bedingungen zu erwarten, denn da wird bekanntlich in der Seine geschwommen.
„In Paris habe ich keine Wellen, das ist schon mal gut“, meinte Wellbrock in seiner trockenen Art. Sein Trainer Bernd Berkhahn wird zudem die Arbeit an der Kälteverträglichkeit, die diesmal im heruntergekühlten Schwimmkanal des Magdeburger Bundesstützpunktes auch wegen der winterlichen Erkältungsgefahr nicht maximal ausgereizt worden war, noch forcieren. Denn auch in der Seine könnte es unter Umständen wieder kühl werden. Bei mangelhafter Wasserqualität wie beim im Vorjahr kurzfristig abgesagten Weltcup wollen die Olympiaorganisatoren nämlich einfach Frischwasser in den Fluss leiten.
Staffel bleibt mit Youngster Schubert ohne Medaille
„Ich bin weit entfernt von meiner Topform von Fukuoka im letzten Jahr. Und ich muss mich definitiv auch auf die Kälte vorbereiten. Ansonsten heißt es nun: trainieren, trainieren, trainieren“, sagte auch Beck, die sich an der Seite von Klemet, Celine Rieder und dem erst 17-jährigen Wellbrock-Ersatz Arne Schubert zum WM-Abschluss noch über Rang vier mit der Staffel freuen konnte. Panik sei auch ohne Medaille jetzt nicht angesagt, betonte Freiwasser-Bundestrainer Constantin Depmeyer denn auch in seinem WM-Fazit: „Wir haben Fragen, aber wir sind nicht beunruhigt. Wir können die WM erst beurteilen, wenn wir die Spiele gesehen haben.“
Beck und Wellbrock ohne Medaille in Doha, auch kein Quotenplatz für Spiwoks
Fragen zum Qualifikationsmodus hatte gleich zu WM-Beginn das 10km-Rennen der Frauen aufgeworfen, die Antwort fiel für Deutschland einige Tage später nicht so schön aus. Denn Europas kontinentaler Quotenplatz wurde an Großbritannien vergeben, obwohl Leah Phoebe Crisp direkt hinter Jeannette Spiwoks auf dem 17. Platz eingekommen war. Trotz Spiwoks’ Position als bestplatzierte Europäerin außerhalb der Top 13 wurde Deutschland aufgrund der bereits erfolgten persönlichen Qualifikation von Leonie Beck nicht weiter berücksichtigt gemäß der Linie des Internationalen Olympischen Komitees, eine höchstmögliche Anzahl an Ländern an den Wettbewerben im Freiwasserschwimmen teilhaben zu lassen. Der DSV hätte sich eine andere Auslegung gewünscht. „Die ungenauen Formulierungen bei den Qualifikationskriterien führen zu unterschiedlichen Interpretationen. Wir werden uns im Sinne unserer Aktiven diesbezüglich nun rechtlich beraten lassen und in Abstimmung mit dem DOSB über unsere nächsten Schritte entscheiden“, erklärte DSV-Leistungssportdirektor Christian Hansmann.
Erledigen könnte sich das Thema aber auch noch von selbst. Denn Spiwoks (und auch andere Schwimmerinnen wie Celine Rieder oder Lea Boy) bieten die Qualifikationskriterien noch die Möglichkeit, sich für die olympischen Beckenrennen über 800m oder 1500m Freistil für Paris zu qualifizieren – dann dürfte diejenige zusätzlich auch den zweiten Olympiastartplatz im Freiwasser noch nutzen. Die Olympiaqualifikation im Beckenschwimmen findet mit den Deutschen Meisterschaften – Olympic Trials in Berlin (25. – 28. April) ihren Höhepunkt. „Ich gebe meinen Olympiatraum auf keinen Fall auf und werde es dort auf jeden Fall probieren“, kündigte Spiwoks noch in Doha an.
WM 2024 in Doha: Alle DSV-Ergebnisse im Freiwasserschwimmen
Wettkampf | Name(n) | Platzierung | Zeit |
---|---|---|---|
5km | Leonie Beck | 14 | 57:56,60 |
5km | Jeannette Spiwoks | 16 | 58:03,30 |
5km | Oliver Klemet | 8 | 51:36,40 |
5km | Florian Wellbrock | 9 | 51:36,70 |
10km | Jeannette Spiwoks | 16 | 1:57:46,00 |
10km | Leonie Beck | 20 | 1:58:11,80 |
10km | Oliver Klemet | 11 | 1:48:32,30 |
10km | Florian Wellbrock | 29 | 1:49:59,00 |
4x1500m | Leonie Beck, Celine Rieder, Oliver Klemet, Arne Schubert | 4 | 1:04:11,60 |