Mit der Durchquerung des Nordkanals ist die 29-Jährige aus Marburg erst der 33. Mensch weltweit mit der Krone des Freiwasserschwimmens.
Sieben Meerengen auf fünf Kontinenten müssen für die Ocean’s Seven durchschwommen werden, insgesamt sind es dann 213 Kilometer mitten durch die Urgewalten der Natur. Erst 32 Menschen auf der Welt haben diese besondere Herausforderung des Freiwasserschwimmens bislang meistern können, André Wiersig war im Jahr 2019 der erste Deutsche (als Nummer 16 weltweit) gewesen. Am 15. September hat es nun auch erstmals eine deutsche Frau geschafft: Nathalie Pohl bezwingt als erste Deutsche die Ocean’s Seven.
Es war vor allem ein Sieg des Willens: Die 29 Jahre alte Marburgerin durchschwamm den 34 Kilometer breiten Nordkanal zwischen dem nordirischen Gobbins und Portpatrick in Schottland in 11:05:24 Stunden. Über 40.000 Armzüge waren dabei nötig. Und die Wassertemperatur lag dabei bei gerade einmal 14 Grad Celsius. Wärmendes Neopren ist wie jede andere Unterstützung nicht erlaubt, nicht mal kurz am Beiboot festhalten lassen die Regeln zu.
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Elf Stunden im 14 Grad kalten Wasser
„Das war schon alles sehr grenzwertig und extrem hart. Irgendwann muss man einfach gucken, wie lange der Körper das überhaupt noch aushält”, sagte Pohl trotz ihrer akribischen Vorbereitung. „Mein ganzer Rachenraum ist extrem geschwollen und die Unterkühlung war extrem, das hat eine Nacht gedauert, bis ich wieder einigermaßen okay war.“ Bei der Ankunft in Schottland hatte ihre Körpertemperatur nur noch bei knapp über 30 Grad gelegen, Untrainierte würden da längst in Lebensgefahr schweben. „Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man nur noch friert. Und dann entscheidet sich im Kopf, ob man es aushält“, meinte Pohl dazu.
Nathalie Pohl hat im Nordkanal eisern durchgehalten, der Kälte und auch den giftigen Löwenmähnenquallen neben ihr zum Trotz. Ihr Bruder gab in der Nacht immer rechtzeitig Lichtzeichen vom Boot, wenn eines dieser Tiere in ihre Nähe kam. So konnte sie ausweichen und blieb unversehrt. Auch dank solcher Unterstützung ging am Ende alles gut aus. Auch dass die junge Frau zur Kälteabwehr vorab ein paar Pfunde zulegen musste, nahm Pohl für ihren Sport mit einem charmanten Lächeln in Kauf. „Man muss sich seinen eigenen Biopren anfressen“, sagte sie mal im Interview mit Swim&More. Am Ende hat sich all das gelohnt: „Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt. Zehn Jahre habe ich für diesen Moment trainiert, war täglich mehrere Stunden im Wasser“, so Pohl.
Mit 20 Jahren hatte sie das Projekt Ocean’s Seven dereinst begonnen, Beckenschwimmen allein war ihr zu langweilig. Der erste Versuch, im Ärmelkanal die 34 Kilometer zwischen England und Frankreich zurückzulegen, scheiterte allerdings. Vater Andreas zog sie damals aus dem Wasser und sagte ihr im Krankenhaus: „Das machst du nicht noch einmal.“ Doch die Antwort lautete: „Das werden wir ja sehen.“ Mit viel Fleiß und Akribie in der Vorbereitung arbeitete sich die junge Frau anschließend voran.
Geholfen hat dabei natürlich auch, dass sie aus einer wohlhabenden Familie stammt. Pohls Vater ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vermögensberatung, die der Großvater gegründet hatte. „Für mich ist der Hintergrund meiner Familie ein unwahrscheinliches Privileg, sie unterstützt mich in jeder Hinsicht, damit ich das machen kann, was ich mache. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte Pohl beim Interview mit dem „Spiegel“ dazu. „Mein Großvater hat immer gesagt: ,Mach das, was dir Spaß macht, nur dann wirst du es im Leben zu etwas bringen und Erfolg haben.‘“
Nathalie Pohl bezwingt als erste Deutsche die Ocean’s Seven. Und zählt damit nun zu den großen Namen des deutschen Schwimmsports. Nach ihrer erfolgreichen Ankunft in Schottland gratulierten auch umgehend namhafte Stars wie Franziska van Almsick oder auch Jürgen Klopp. „Es macht mich sehr stolz, dass ich nun an meinem Ziel angekommen bin“, sagte sie. „Auch wenn der Weg bis hierher wirklich hart war, jeder Armzug, jeder Extrakilometer im Training und jede kalte Dusche haben sich mehr als gelohnt. Mein Erfolg zeigt ganz klar, dass man niemals aufgeben darf und immer an sich und seinen Traum glauben sollte, egal wie schwierig es vielleicht gerade ist.“
Die Ocean’s Seven
Die Ocean’s Seven umfassen sieben Meerengen. Sie zu bewältigen gilt als ultimative Herausforderung im Langstreckenschwimmen – analog zu den Seven Summits im Bergsteigen mit den höchsten Gipfels jedes Erdteils. Folgende Strecken sind dabei:
Straße von Gibraltar
Marokko und Spanien – 14km
Tsugaru-Straße
Inseln Honshu und Hokkaido, Japan – 20km
Cookstraße
Süd- und Nordinsel Neuseelands – 26km
Nordkanal
Irland und Schottland – 34km
Ärmelkanal
England und Frankreich – 34km
Santa-Catalina-Kanal
Santa Catalina Island und Los Angeles, USA – 34km
Kaiwi-Kanal
Inseln Moloka’i und O’ahu, Hawaii – 44km