Motivationsprobleme durch die Olympiaverschiebung auf 2021 bekämpft in diesen Tagen so manche Sportlerin und so mancher Sportler. Während der Coronavirus-Pandemie wird das natürlich nicht jeder gleich lautstark öffentlich machen. Dabei ist es ja weder überraschend noch ungewöhnlich. Das wird klar, wenn man denen zuhört, die über den Olympia-Boykott von Moskau 1980 sprechen. Der jährte sich in diesem Monat gerade zum 40. Mal.
Der frühere Schwimm-Europameister und Olympiamedaillen-Gewinner Klaus Steinbach erinnerte sich an ein „extremen Motivationsabfall“. Fecht-Olympiasiegerin Cornelia Hanisch bezeichnete den unfreiwilligen Verzicht damals sogar als „noch brutaler als für die Athleten heute“.
Verschiebung ist immer noch besser als Absage oder Boykott
Hanisch erzählte in einem Interview für die Stiftung Deutsche Sporthilfe, wie sie den Boykott damals als „ohnmächtige Sportlerin“ erlebte. Es sei 1980 eine politische Entscheidung gewesen, an der sie drei Monate lang sehr hart zu knabbern gehabt habe. „Was jetzt geschieht, passiert hingegen der ganzen Welt gleichermaßen. Keiner kann zu Olympia fahren.“ Die Nicht-Teilnahme brachte sie um die anvisierte Olympia-Medaille: Hanisch war amtierende Weltmeisterin und bestätigte den Titel im Jahr 1981. „Für mich war es hart, weil ich mit 28 Jahren im besten Fechteralter war und nicht wusste, ob ich vier Jahre später noch einmal die Chance haben werde. International habe ich das Fechten ja ein paar Jahre lang mitbeherrscht. Da wäre es schade gewesen, hätte ich keine Olympia-Medaille gewonnen“, so Hanisch. 1984 in Los Angeles gewann sie dann doch noch ihr Gold mit dem Team und dazu Silber im Einzel.
“Unsere Sportler werden sich rechtzeitig aufrappeln, da bin ich ganz sicher.”
Für Steinbach bedeutete der Boykott hingegen sogar das Karriereende. „Es hätten meine dritten und letzten Spiele sein sollen. Ich war zu diesem Zeitpunkt Europarekordhalter über 100 Meter Freistil und eine wichtige Säule in der Nationalmannschaft“, sagte er. Er selbst habe immerhin das Glück gehabt, mit 18 Jahren in München (Silber mit der 4x200m-Freistil-Staffel) und vier Jahre später in Montreal (Bronze mit der 4x100m-Lagen-Staffel) bereits zwei Medaillen gewonnen zu haben. „Wenn ich wegen des Boykotts nie an den Spielen teilgenommen hätte, wäre das fatal gewesen“, betonte Steinbach. Aber eine letzte Chance auf Gold ist ihm in Moskau entgangen.
Schwimmsportler*innen in der Hall of Fame des deutschen Sports:
Sportlername | Aufnahmejahr | Erfolge |
---|---|---|
Dr. Roland Matthes | 2006 | 4x Olympiasieger im Schwimmen, Welt- und Europameister |
Erich Rademacher | 2008 | Olympiasieger Wasserball 1928, Olympia-Zweiter und Europameister im Schwimmen |
Ingrid Krämer-Gulbin | 2011 | 3x Olympiasiegerin Wasserspringen, Europameisterin |
Dr. Michael Groß | 2015 | 3x Olympiasieger im Schwimmen, Welt- und Europameister |
Prof. Dr. Klaus Steinbach | 2018 | Welt- und Europameister, 2 Olympiamedaillen im Schwimmen |
Franziska van Almsick | 2019 | Welt- und Europameisterin, 10 Olympiamedaillen im Schwimmen |
Motivationsprobleme durch die Olympiaverschiebung sind nur ein vorübergehendes Problem
Von 2002 bis 2006 war der Mediziner und spätere Klinikleiter dann sogar Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (das NOK wurde erst später zum DOSB vereint) und so zweimal Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft. Und in ihm schlägt bis heute das Herz eines Athleten.
„Ich verstehe, wie schwierig es nun für die Athleten sein muss, neue Motivation aufzubauen. Für ein Ereignis, das man in diesem Jahr geplant hatte, das nun aber frühestens nächstes Jahr stattfindet“, so Steinbach.
Zukünftige Teilnehmer an den Olympischen Spielen von Tokio hätten jetzt lange Zeit zur Vorbereitung und dürften dabei „sicher auch einmal mental in die Knie gehen“. Zweifel daran, dass alle die Motivationsprobleme durch die Olympia-Verschiebung überwinden, hat er aber keinesfalls: „Sie werden sich rechtzeitig aufrappeln, da bin ich ganz sicher, und eine Form abliefern, die mindestens so gut ist wie die, dies sie diesen Sommer gehabt hätten.“
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