Ideen für mehr Nachhaltigkeit im Schwimmsport

Linda Hohmann
Linda Hohmann
14:55

Entdecke kreative und praktische Ansätze für mehr Nachhaltigkeit im Schwimmsport und der Jugendarbeit. Erfahre, wie der Sport durch die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN inspiriert wird und wie Vereine eine umweltbewusste Generation fördern.

Der (Schwimm-)Sport steht wie andere Gesellschaftsbereiche vor der Herausforderung, ein lebenswertes Miteinander und eine Zukunft für alle (nachfolgenden) Generationen sicherzustellen, sprich nachhaltig(er) zu werden. In diesem Artikel werden wir uns, geleitet von den 17 Sustainable Development Goals (Ziele für nachhaltige Entwicklung, kurz SDG) der Vereinten Nationen mit verschiedenen Ideen und Ansätzen befassen, wie Schwimmvereine und -verbände nachhaltiger gestaltet werden können. Dabei geht es sowohl um ökologische als auch um ökonomische und soziale Dimensionen von Nachhaltigkeit. Von energieeffizienten Schwimmbädern bis hin zu Umweltbildungsprogrammen für junge Schwimmer*innen – es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie der Schwimmsport einen positiven Beitrag zu nachhaltiger gesellschaftlicher Entwicklung leisten kann.

Die Agenda 2030

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, die weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen. Alle UN-Mitgliedsstaaten haben sich 2015 verpflichtet, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, in der die 17 Nachhaltigkeitsziele und jeweilige Unterziele definiert sind, umzusetzen und sich gemeinsam für die globale Entwicklung einzusetzen. Jedes der 17 Ziele kann auch auf den Schwimmsport und den Vereins- und Verbandsalltag bezogen werden, einige haben dabei einen direkteren Bezug als andere, einige bedingen sich untereinander oder können auch vernetzt betrachtet werden. Nachfolgend möchten wir zu einigen SDG konkrete Ideen für die Umsetzung im Schwimmsport sammeln:

SDG 1: Keine Armut

Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien seltener sicher schwimmen können und in den Vereins- und Verbandsstrukturen unterrepräsentiert sind. Um allen Menschen die Bewegung im Wasser und eine Aktivität oder Engagement im Verein zu ermöglichen, gilt es also finanzielle Hürden abzubauen. Das geht zum Beispiel durch:

  • Teilnahme an (geförderten) Kooperationsprojekten (z. B. vom Land, mit Schulen), die für die Teilnehmenden keine oder nur geringe Kosten verursachen
  • Fundraising bei Stiftungen, Service Clubs (Rotarier, Lions etc.), Firmen, Crowdfunding-Aktionen (z. B. Sparkassen, Volksbanken) zur Finanzierung von Projekten und zur Reduzierung der Kosten für einzelne Mitglieder
  • Information und Beratung zu möglichen Förderprogrammen wie Bildung und Teilhabe, Sportler*innen helfen Sportler*innen (für ukrainische Geflüchtete), städtischen Sozialfonds etc.
  • Einführung von Solidaritätsbeiträgen: Personen zahlen freiwillig einen höheren Beitrag, um eine vergünstigte oder komplett kostenfreie Mitgliedschaft für bedürftige Personen zu ermöglichen

SDG 3: Gesundheit und Wohlbefinden

Regelmäßiger Sport und Bewegung tragen signifikant zum gesunden Aufwachsen und psychischen Wohlbefinden von Kindern bei. Schwimmen gilt dabei als ideale Gesundheitssportart und zählt zu den motorischen Grundkompetenzen, die Kinder erlernen sollten. Zudem ist Schwimmen eine Lifetime-Sportart, die Bewegung im Wasser kann bis ins hohe Alter durchgeführt werden. Vereine können mit der Gestaltung ihres Angebots sowie entsprechender Rahmenbedingungen also einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen, etwa durch:

  • Gestaltung von Bewegungsangeboten für alle (z. B. Säuglings- und Kleinkinderschwimmkurse zur frühkindlichen Bewegungsförderung, Präventions- und Rehasport-Angebote für ältere Aktive, inklusive und integrative Angebote für Personen mit erschwerten Zugangsvoraussetzungen)
  • Soziale Angebote abseits der sportlichen Betätigung, wie Ausflüge, Vereinsfahrten, -feste,
  • Schaffung von geeigneten gesundheitsfördernden Rahmenbedingungen für Aktive und Engagierte
  • Sensibilisierung der Aktiven und Engagierten für Themen wie mentale Gesundheit, psychische Krankheiten, Stressmanagement und Resilienz
  • Teilnahme an lokalen Breitensportaktionen wie Sportabzeichentagen, Volksläufen etc.
  • Nutzung von Präventionsangeboten wie „Kinder stark machen“, „Alkoholfrei Sport genießen“ und anderen Kampagnen zur Suchtprävention und Stärkung der mentalen Gesundheit z. B. bei Vereinsaktivitäten

SDG 4: Hochwertige Bildung

Der Sport bietet einen vielfältigen Erfahrungsraum für non-formale Bildungsprozesse. Er fördert soziale Interaktion und Integration und stärkt die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Bildung muss und kann nicht nur in der Schule stattfinden, sondern findet in vielfältigen Lernumgebungen statt, unter anderem beim Sporttreiben. Dieser Erfahrungsraum sollte für jeden Menschen ermöglicht werden, um lebenslange Lernprozesse zu fördern und die Persönlichkeitsentwicklung durch Sport zu stärken.

Die Schwimmverbände bieten ein breites Portfolio von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, sowohl fachspezifisch als auch sportartübergreifend sowie zu gesellschaftspolitischen Themen. Aber auch Vereine können die formalen und non-formalen Bildungsprozesse unterstützen, z.B. durch:

  • die (finanzielle) Unterstützung ihrer Engagierten bei Aus- und Fortbildungen
  • die Integration von Bildungseinheiten in sportliche Anlässe (z. B. Workshops während Trainingslagern und Jugendfreizeiten)
  • die Ausrichtung von Inhouse-Schulungen für ihre Engagierten
  • die Ermöglichung von generationsübergreifenden Erfahrungsräumen und Settings, in denen informelle Bildung stattfindet

SDG 5: Geschlechtergleichheit

Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass diverse Teams bessere Entscheidungen treffen und höhere Leistungen erbringen. Trotzdem sind in vielen Gesellschaftsbereichen die Geschlechter gleich repräsentiert. Auch im Schwimmsport lassen sich leider immer noch Geschlechterungleichheiten feststellen: Obwohl in den Mitgliederzahlen die Geschlechterverteilung nahezu ausgeglichen ist, sind in Funktionsämtern und Entscheidungsgremien männliche Personen deutlich überrepräsentiert.

Auch im Leistungs- und Spitzensportbereich fehlt es oftmals an weiblichem Trainingspersonal, im Bereich der Wassergewöhnung und Schwimmausbildung sind dafür Männer unterrepräsentiert, was dazu führt, dass traditionelle Geschlechterrollen verfestigt werden. Vereine und Verbände können dem aktiv entgegenwirken, indem sie:

  • sich aktiv für diverse und diversitätssensible Gremienstrukturen einsetzen
  • sich dafür einsetzen, unterrepräsentierte Geschlechter aktiv für ein Engagement zu gewinnen, und dabei unterstützen (z. B. durch Aus- und Fortbildung, Mentoring-Programme und Coachings, Boys-only- oder Girls-only-Programme)
  • Vorbilder und Role-Models aktiv z. B. in ihrer Verbandskommunikation und bei Veranstaltungen einbinden
  • Kindern und Jugendlichen die vielfältigen Möglichkeiten des Engagements ermöglichen und Talente unabhängig vom Geschlecht fördern

SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen / SDG 12: Leben unter Wasser

Sauberes Wasser ist eine Grundvoraussetzung, um unseren Sport gesund betreiben zu können und für alles Leben unter Wasser. Diejenigen, die regelmäßig im Freiwasser überall auf der Welt ihre Wettkämpfe bestreiten, können so manche Geschichte über die Wasserqualität erzählen. Auch im Hinblick auf die olympischen Freiwasserwettkämpfe in Paris (FRA) ist die Wasserqualität in der Seine das vorherrschende Thema, die mit großen Investitionen in Kläranlagen und Wasserauffangbecken nachhaltig gereinigt und damit langfristig wieder schwimmbar gemacht werden soll.

Doch auch die Wasserqualität in Schwimmbädern hat direkten Einfluss auf die Gesundheit der Schwimmenden. Daher ist der Einsatz umweltfreundlicher Chemikalien und Reinigungsmethoden von großer Bedeutung. Chlorfreie Wasserbehandlungsmethoden und umweltfreundliche Reinigungs- und Desinfektionsmittel tragen dazu bei, die Umweltbelastung zu reduzieren und gleichzeitig die Gesundheit der Schwimmenden zu schützen. Diese Maßnahmen sind nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für das Wohlbefinden der Badegäste.

Konkrete Umsetzungsideen zu den SDG 6 und 12:

  • Vermeidung von Gewässerverschmutzung durch reduzierten Konsum von Plastik- und Einmalverpackungen sowie von Produkten, welche die Mikroplastikbelastung erhöhen
  • Teilnahme an Clean-up-Projekten an Gewässern und Stränden
  • Unterstützung von Organisationen und Firmen, die sich für sauberes Wasser, Wasserversorgung und gegen Gewässerverschmutzung einsetzen, wie z. B. Viva-con-Aqua, Bracelet, Sea Shepherd
  • Engagement für nachhaltige Reinigungsprozesse im lokalen Schwimmbad

SDG 7: Bezahlbare und saubere Energie / SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur / SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden / SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

Energieeffiziente Schwimmbäder stellen eine wichtige Lösung für die Herausforderungen des hohen Energieverbrauchs in der Schwimmsportbranche dar. Die Integration von Solarenergie, energieeffizienten Beleuchtungssystemen und modernen Heiz- und Belüftungssystemen ermöglicht es Schwimmbädern, ihren Energieverbrauch deutlich zu reduzieren und gleichzeitig ihre Betriebskosten zu senken. Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Verringerung der Umweltbelastung bei, sondern sind auch wirtschaftlich sinnvoll für die langfristige Nachhaltigkeit von Schwimmbädern.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Verwendung von wassersparsamen Technologien, da Wasser eine kostbare Ressource ist. Wasserrückgewinnungssysteme, wassersparende Duschköpfe und effiziente Filteranlagen helfen Schwimmbädern dabei, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren und zur Erhaltung der Wasserressourcen beizutragen. Durch die Implementierung solcher Technologien können Schwimmbäder nicht nur ihre Umweltbilanz verbessern, sondern auch ihre Betriebskosten langfristig senken.

Abfallvermeidung und Recycling sind ebenfalls entscheidende Aspekte der Nachhaltigkeit im Schwimmsport. Schwimmbäder produzieren oft große Mengen an Abfall, von Einwegplastikbechern bis hin zu defekten Schwimmbadutensilien. Durch die Einführung von Recyclingprogrammen, die Verwendung von biologisch abbaubaren Materialien und die Reduzierung von Einwegprodukten können Schwimmbäder ihren ökologischen Fußabdruck verringern und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Vereine und Verbände können sich in diese Prozesse auf lokaler Ebene für die durch sie genutzten oder in Eigenregie verwalteten Schwimmbäder einbringen, zum Beispiel durch:

  • die Akquise von Fördermöglichkeiten über Stadt-/Kreis- und Landessportbund zur Umsetzung innovativer Technologien

Neben technischen Maßnahmen ist auch die Umweltbildung und Sensibilisierung ein wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeitsbemühungen im Schwimmsport. Durch die Durchführung von Umweltbildungsprogrammen, Workshops und Veranstaltungen können Schwimmende jeden Alters über Umweltthemen informiert werden und lernen, wie sie selbst einen positiven Beitrag zur Umwelt leisten können. Indem sie ein Bewusstsein für Umweltfragen schaffen und Umweltschutzpraktiken fördern, tragen Schwimmvereine dazu bei, eine umweltbewusste Generation heranzubilden, die sich aktiv für eine nachhaltige Zukunft einsetzt.

Ideen für Nachhaltigkeit in der Jugendarbeit im Schwimmsport

Natürlich können die SDG auch auf die Jugendarbeit im Sport bezogen werden. Bildungsprogramme für junge Schwimmende spielen eine entscheidende Rolle bei der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für Nachhaltigkeitsthemen. Die Integration solcher Programme in den Vereinsalltag, bei Trainings- und Jugendlagern ermöglicht es Kindern und Jugendlichen, frühzeitig zu lernen, wie sie die Umwelt schützen und nachhaltige Lebensweisen entwickeln können. Indem sie sich bereits in jungen Jahren mit Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzen, können sie zu verantwortungsbewussten und umweltbewussten Bürgern heranwachsen.

Praxisnahe und spielerische Umweltprojekte bieten den Nachwuchsschwimmenden die Möglichkeit, ihr Wissen in die Tat umzusetzen und aktiv am Umweltschutz teilzunehmen. Müllsammelaktionen, Gemeinschaftsgärten und Upcycling-Workshops sind nur einige Beispiele für Projekte, die den jungen Schwimmenden zeigen, wie sie einen positiven Beitrag zur Umwelt leisten können. Durch solche praktischen Erfahrungen können sie ein tieferes Verständnis für Umweltfragen entwickeln und ihr Engagement für den Umweltschutz stärken.

Auch bei der Organisation von (Jugend-)Veranstaltungen im Schwimmsport ist es wichtig, nachhaltige Praktiken zu berücksichtigen. Die Verwendung von Recyclingmaterialien, Mehrweggeschirr und die Reduzierung des Energieverbrauchs sind Maßnahmen, die dazu beitragen können, die Umweltbelastung zu verringern und die jungen Schwimmer für umweltbewusstes Handeln nach dem Motto „Reduce, Reuse, Recycle“ (Reduzieren, wiederverwenden, recyceln) zu sensibilisieren.

Partnerschaften mit Umweltorganisationen und Nachhaltigkeitsinitiativen (SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) bieten die Möglichkeit, sich aktiv am Umweltschutz zu beteiligen und von deren Fachwissen zu profitieren. Durch die Zusammenarbeit mit solchen Organisationen können die jungen Schwimmenden ihr Umweltbewusstsein vertiefen und lernen, wie sie effektiv zum Schutz der Umwelt und einer nachhaltigen Zukunft beitragen können.

Die Vorbildfunktion von Jugendleiter*innen und Trainer*innen ist dabei von großer Bedeutung. Indem sie selbst ein nachhaltiges Verhalten vorleben, können sie die jungen Schwimmenden dazu ermutigen, bewusste Entscheidungen in ihrem täglichen Leben zu treffen. Durch ihr Engagement und ihre Unterstützung können sie Kinder und Jugendliche dazu inspirieren, sich aktiv für den Umweltschutz einzusetzen und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu entwickeln.

Insgesamt bietet der Schwimmsport viele Möglichkeiten, um nachhaltiger zu werden und einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Durch die Umsetzung von nachhaltigen Praktiken im Schwimmsport und in der Jugendarbeit können wir dazu beitragen, eine nachhaltigere Zukunft für kommende Generationen zu schaffen. Ein Verein, der sich beispielsweise bereits auf den Weg gemacht hat, ist der SV Westfalen, der seine internationalen „Swim Race Days“ seit diesem Jahr mit einem Nachhaltigkeitsfokus ausrichtet und dafür im Rahmen der Kampagne „Ziele brauchen Taten“ von RENN.west (Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West) für sein Engagement als nachhaltiges Vorbild ausgezeichnet wurde.