Diese acht Belastungszonen im Schwimmtraining sollte jeder Coach kennen

Raik Hannemann
Raik Hannemann
14:26

Für Leistungssteigerungen im Spitzensport muss man als Trainer*in die verschiedenen Trainingsintensitäten kennen und diese auch präzise einsetzen können. Diagnostik-Bundestrainer Dr. Alexander Törpel wünscht dabei einen noch intensiveren Austausch mit einheitlicherem Sprachgebrauch. Deswegen erklären wir hier noch einmal den aktuellen Stand der Wissenschaft.

Oliver Klemet, Lukas Märtens und Isabel Gose (v.l.) führte Bundestrainer Bernd Berkhahn (2.v.r.) mit hochwissenschaftlicher Trainingssteuerung zu Olympiamedaillen© Jo Kleindl

Oliver Klemet, Lukas Märtens und Isabel Gose (v.l.) führte Bundestrainer Bernd Berkhahn (2.v.r.) mit hochwissenschaftlicher Trainingssteuerung zu Olympiamedaillen

Hinter den Erfolgen von Schwimmer*innen wie Lukas Märtens, Florian Wellbrock, Oliver Klemet oder Isabel Gose steckt bekanntlich viel Trainingsfleiß, aber auch sehr viel wissenschaftliches Know-how. Seit Jahren arbeitet Bundestrainer Bernd Berkhahn eng mit dem Sportwissenschaftler Dr. Alexander Törpel zusammen. Als Bundestrainer Diagnostik beim Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV) setzt sich Törpel seit 2019 dafür ein, dass das Wissen aus dem Hochleistungssport breiter gestreut wird sowie der wechselseitige Transfer zwischen Praxis und Wissenschaft erfolgt. Zum Beispiel bei den Belastungszonen im Schwimmtraining.

Mit dem Beginn des neuen Olympiazyklus wird von ihm aktuell besonders das Thema der individuell präzisen Steuerung der Trainingsintensität samt dem dazugehörigen Belastungs- und Beanspruchungsmanagement fokussiert. Zu diesem Thema ist er mit den Coaches im Spitzenbereich seit Saisonbeginn sehr viel im Austausch. Bei der Jahrestagung der Deutschen Schwimm-Trainer-Vereinigung (DSTV) wird es auch einen Workshop dazu geben.

Die genaue Steuerung von Trainingsintensitäten und die damit verbundene Definition von Belastungszonen bzw. Trainingszonen soll helfen, das Training effektiver zu gestalten und Leistungsreserven gezielt zu erschließen. Besonders im Hochleistungsbereich kann die individualisierte Steuerung der Belastung und Beanspruchung den entscheidenden Unterschied machen, um das letzte Prozent auch noch herauszukitzeln.

Was sind Belastungszonen und warum sind sie wichtig?

Um Training zu steuern und damit die gewünschten Anpassungen im Körper optimal zu erzielen, wird die Intensität in verschiedene Zonen unterteilt – sogenannte Belastungs- bzw. Trainingszonen. Diese Zonen können anhand von unterschiedlichen Parametern zueinander abgegrenzt werden. Dies kann anhand folgender Parameter erfolgen:

  • Messbare Faktoren: Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration, Sauerstoffaufnahme – als jeweilige Indikatoren für die kardiale, metabolische und ventilatorische Beanspruchung
  • Subjektives Empfinden: Wie anstrengend fühlt sich das Training an, wiedergegeben anhand der sogenannten RPE-Skala (engl. für „rating of perceived exertion“, Skala von 0-10) Vorteil dieser subjektiven Rückmeldung ist, dass auch aktuelle Lebensumstände (z.B. Schlafmangel, Prüfungsstress) in die Bewertung mit einfließen. Da diese Faktoren einen unmittelbaren Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit haben können, kann dadurch eine übergeordnete Bewertung des aktuellen Zustandes der Beanspruchung erfolgen.

Die unterschiedlichen Belastungs- bzw. Trainingszonen werden nun im Trainingsprozess in Verbindung mit Trainingsmethoden eingesetzt, um gezielt Trainingsreize zu setzen. Bedeutsam ist, dass erst die richtige Verbindung eines Intensitätsbereichs mit einer Trainingsmethode zu einer wirksamen Reizsetzung führt – nicht jede Kombination ist möglich. Im Weiteren hinterlegen wir den Belastungs- bzw. Trainingszonen, in Abhängigkeit der Gestaltung mit einer Trainingsmethode, eine gewisse Regenerationszeit, die wiederum im Rahmen der Trainingsplanung berücksichtigt werden sollte. Entweder um Regeneration in Vorbereitung auf bevorstehende Trainingseinheiten abzusichern, oder hinsichtlich einer bestimmten Reizsetzung, bewusst Ermüdung in einem gewissen Maße zu provozieren.

Florian Wellbrock mit Maske: Spirometrische Messungen gehören im modernen Leistungssport zu dazu.© DSV

Florian Wellbrock mit Maske: Spirometrische Messungen gehören im modernen Leistungssport zu dazu.

Einheitliche Definition für bessere Verständigung

Eine klare Einteilung und Definition des Intensitätsspektrums in Belastungs- bzw. Trainingszonen hilft, ein gemeinsames Verständnis über diese Zonen zu schaffen. Coaches und Sportler*innen können so besser kommunizieren und Trainingspläne feiner abstimmen. Laut Törpel gab es in der Vergangenheit große Unterschiede in der Nutzung von Begriffen – oft wurde die gleiche Bezeichnung für unterschiedliche Intensitäten verwendet, wenn über Belastungszonen im Schwimmtraining geredet wurde: „Es war durchaus festzustellen, dass es große Abweichungen gab, wenn man sich hierzulande über Intensitäten unterhielt. Es werden mitunter die gleichen Bezeichnungen benutzt, aber nicht immer dasselbe gemeint“, so Törpel. Mit einer einheitlicheren Sprachregelung wird also der Austausch national und auch international erleichtert. „Wir möchten wieder eine eindeutige Definition von Intensität etablieren. Wenn wir alle die gleiche Sprache sprechen, können wir noch intensiver über Trainingsinhalte sprechen und sie auch noch besser anpassen“, erklärt der Leipziger Hypoxie-Experte.

Die acht Belastungszonen im Schwimmtraining

Die von Törpel, Berkhahn und Prof. Dr. Thomas Gronwald erarbeitete Definition basiert auf neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie greift die bereits bekannten acht Zonen des DSV auf, die seiner Zeit von Örjan Madsen und Dr. Klaus Rudolph definiert wurden, es findet jedoch eine aktualisierte Abgrenzung der Zonen statt:

  • Belastungszone 1 (Regeneration & extensives, aerobes Training)
    Diese Zone dient der aktiven Erholung und unterstützt die Regeneration nach intensiven Belastungen. Weiterhin wird die aerobe Basis aufgebaut, ohne den Körper zu ermüden.
  • Belastungszone 2 (extensives, aerobes Training)
    Hier wird die aerobe Ausdauer durch extensiv gestaltetes Training verbessert. Sie fördert die ökonomische Bewegungsausführung und die Fettverbrennung.
  • Belastungszone 3 (moderatintensive Beanspruchung)
    Das Training findet nahe der aeroben Laktatschwelle statt und steigert die Belastungstoleranz. Die Laktatproduktion beginnt in diesem Bereich, Laktatkonzentrationen sind aber noch gering (ca. 1,0-2,5 mmol/l).
  • strong>Belastungszone 4 (moderat-intensive Beanspruchung, Bereich am maximalen Laktat Steady State)Diese Zone liegt an der anaeroben Laktatschwelle und verbessert die Fähigkeit, hohe Belastungen länger aufrechtzuerhalten. Trainingssets in diesem Bereich führen noch zu einem Laktat Steady State und Laktatkonzentrationen von ca. 2,5-5,0).
  • Belastungszone 5 & 6 (VO2MAX-Training, hochintensive Beanspruchung)
    Belastungen ab der Zone 5 führen zu einer kontinuierlichen Laktatproduktion. In Abhängigkeit der trainingsmethodischen Gestaltung können sowohl aerobe, als auch vermehrt anaerobe Trainingsreize gesetzt werden. Die Zone 6 ist nahe der VO2MAX-Leistung, die als maximale Drei-Minuten-Leistung definiert wird.
  • Belastungszone 7 & 8 (Sprintbereich, submaximale und maximale Belastung)
    Die Zone 7 umfasst maximale Geschwindigkeiten über Strecken von bis zu maximal 100m, im Sprintbereich eher 50m. In Zone 8 werden maximale Geschwindigkeiten über kürzere Strecken von bis maximal 25-35m realisiert. In beiden Zonen ist die technisch kontrollierte Ausführung stets von Bedeutung.

 

So liest man die Belastungszonen  richtig

Jede der Belastungszonen im Schwimmtraining hat spezifische Merkmale, die bei der Bestimmung helfen können. Manchmal sind die Grenzen sehr fließend und einer der Marker gibt den entscheidenden Hinweis.

  • Schwimmgeschwindigkeit (v): Gibt an, mit welcher Geschwindigkeit die jeweilige Belastungszone trainiert wird. Diese steht natürlich in Abhängigkeit der Dauer oder auch Streckenlänge.
  • Trainingsmethoden & Intensitätssteuerung: Natürlich muss eine zur gewünschten Intensität passende Methode gewählt werden. In den höheren Belastungszonen (>BZ5) ist die Intensitätssteuerung über belastungsorientierte Vorgaben besser, in den unteren Zonen (≤BZ5) über die beanspruchungsorientierten Parameter (siehe die grauen Keile rechts von Tabelle 1).
  • Blutlaktatkonzentration (bLa): Beschreibt den Anteil von Laktat im Organismus.
    • Aerobe Schwelle (LT1): Punkt, an dem Laktatbildung leicht ansteigt – moderate Beanspruchung.
    • Anaerobe Schwelle (LT2): Punkt, an dem Laktatbildung und -abbau ausgeglichen sind – höhere Beanspruchung.
  • Anstrengungsempfinden (RPE-Skala): Subjektives Gefühl der Belastung – hilfreich, um Trainingsintensität individuell zu steuern.
  • VO2MAX: Der Wert gibt an, wie viel Sauerstoff ein Mensch maximal verwerten kann und definiert die Ausdauerleistungsfähigkeit. Die Beanspruchung der VO2MAX ist eine etablierte Größe im Ausdauersport zur Darstellung von Intensität und wird auch im Schwimmsport immer mehr eingesetzt.

Erklärungen zu Tabelle 2

A/An: Gibt die Reizwirksamkeit der Trainingsmethode und der Belastungszone auf das aerobe oder anaerobe System an.

tReg: Gibt an, wieviel Zeit bis zur vollständigen Regeneration nach einem Training innerhalb dieser Belastungszone vergeht. Dies steht jedoch auch in Abhängigkeit der Dauer des Trainings innerhalb der Belastungszonen, weshalb die angegebenen Zeiten eher der ersten Orientierung dienen.

Beispiel 1-4: Mögliche Sets für das Training, passend zur Hauptstreckenlänge und zum Trainingszustand insgesamt. Von links nach rechts mit zunehmender Teilstreckenlänge.

Sets mit Abstufung: Trainingssets können nicht nur einheitlich innerhalb einer Belastungszone gestaltet werden, sondern auch über mehrere Belastungszonen – abgestuft. Entsprechende Beispiele sind im rechten Abschnitt der Tabelle gegeben.. Eine Beispielerklärung dafür steht unter der Tabelle selbst.

 

Fazit: Wissen nutzen für besseres Training

Die aktualisierte Definition der Belastungszonen im Schwimmtraining liefert eine wertvolle Orientierung für Trainer*innen und Athlet*innen. Sie hilft, Trainingsreize gezielter zu setzen und vergrößert damit auch den kreativen Gestaltungsraum bei der Trainingsplanung. Die Einteilung ist laut Törpel keine starre Vorgabe, sondern soll vor allem als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage dienen. „Wir wollen niemand bekehren damit. Sondern einfach den Impuls setzen zu überprüfen, ob das Training auch immer reizwirksam genug ist. Natürlich gibt es auch viele erfolgreiche Trainer*innen mit feinem Gespür, die ihre Aktiven mit ihrem Ansatz der Intensitätssteuerung und ihrer Definition von Trainingszonen entwickeln können. Uns geht es darum, eine einheitliche und zeitgemäße Orientierung zu geben, die Belastung genau zu akzentuieren und auch zu differenzieren, damit das beste Ergebnis erzielt werden kann. Dabei hilft unsere aktuelle Definition auf jeden Fall.“

 

Sportwissenschaftlicher Dr. Alexander Törpel ist seit 2019 der Bundestrainer Diagnostik im DSV© Jo Kleindl

Dr. Alexander Törpel ist seit 2019 der Bundestrainer Diagnostik im DSV