Die Nachwuchsleute von heute sind die Engagierten von morgen: Warum Jugendarbeit in Verein und Verband so wichtig ist und wie alle Beteiligten davon profitieren können. Drei Beispiele aus den Landesverbänden und wertvolle Tipps für Vereine, Verbände und junge Engagierte.
Der organisierte Sport ist noch immer die größte Bürgerbewegung Deutschlands und weist im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen konstant die höchste Engagementquote auf. Jedoch zeigt sich bereits seit Jahren, dass die Zahl der Engagierten auch im Sport abnimmt. Der Bund nimmt dies zum Anlass, eine Engagementstrategie zur Stärkung des Ehrenamts und der Verbesserung der Rahmenbedingungen zu entwickeln.
Auch in den deutschen Schwimmvereinen fehlen regelmäßig Übungsleitungen, Trainer*innen, Kampfrichter*innen und ehrenamtliche Funktionsträger*innen. In den Verbänden können Positionen in der Organisation und Koordination des Verbandsgeschehens häufig nicht (wieder) besetzt werden.
Warum gute Jugendarbeit in Verein und Verband so wichtig ist
Dieser Entwicklung ist nur mit gezielter Engagementförderung zu begegnen. Eine aktive Jugendarbeit ist dabei eine wichtige Säule, um frühzeitig junge Menschen an Verein und Verband zu binden und diese langfristig an Aufgaben und Funktionen heranzuführen. Daher haben wir uns mal in den Landesschwimmverbänden umgehört und geschaut, ob und wie hier Jugendarbeit stattfindet, junge Engagierte eingebunden werden und welchen Mehrwert der Verband, aber auch die jungen Leute selbst aus diesem Engagement ziehen.
Ein Verein mit einer gut aufgestellten Jugendabteilung ist ein zukunftsfähiger Verein.
Die Schwimmjugend NRW ist beispielsweise als selbstständige Jugendorganisation fest in der Satzung des Schwimmverbandes NRW verankert. Sie hat mit Jugendvollversammlung, Jugendvorstand, Jugendausschuss und Hauptjugendausschuss sowie zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen eine sehr ausdifferenzierte Struktur und entsprechend viele Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen.
Nur so kann das breite Spektrum an Aufgabenbereichen realisiert werden, unter anderem bestehend aus vielfältigen Aus- und Fortbildungen junger Engagierter, außersportlichen Jugendaktivitäten wie Ferienfreizeiten oder der Beteiligung an Aktionen zu gesellschaftspolitischen Themen wie den internationalen Wochen gegen Rassismus. Aktuell sind die Themen Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit im Sport als Schwerpunktthemen ausgewählt.
Die Jugend wird bei allen Entscheidungen mitbedacht
„Unsere Mitglieder – also die Jugendabteilungen der Schwimmvereine in NRW – profitieren auf verschiedenste Art und Weise von unserer Arbeit: Sie können beispielsweise an unseren vergünstigten Jugendlehrgängen teilnehmen und so Fähigkeiten für die praktische Arbeit im Verein erwerben. Außerdem helfen wir zum Beispiel mit den Aktionen ,J-Team‘ und ,Zeig dein Profil‘ den Vereinen dabei, ihre Jugendarbeit gut aufzustellen. Das bietet am Ende immer einen Mehrwert für den gesamten Verein. Denn ein Verein mit einer gut aufgestellten Jugendabteilung ist ein zukunftsfähiger Verein“, erläutert Erik Henschke, 2. Vorsitzender der Schwimmjugend NRW.
Man kann in der Jugendarbeit wahnsinnig viele Erfahrungen sammeln, die einen im Leben weiterbringen.
„Darüber hinaus profitieren die Mitglieder von unseren vielfältigen außersportlichen Angeboten, wie zum Beispiel dem Sieben-Bezirke-Treffen oder unserer Lehrtagung. Und zu guter Letzt natürlich dadurch, dass wir die Interessen der Kinder und Jugendlichen lautstark im Verband vertreten und die Jugend somit bei allen Entscheidungen mitbedacht wird.“
Um diese Mitbestimmung auch tatsächlich zu gewährleisten, ist der/die 1. Vorsitzende der Jugend mit Sitz und Stimmrecht im Präsidium des Landesverbandes vertreten. Die Engagierten ziehen dabei auch persönlich einen Mehrwert aus ihrem Engagement. „Ich glaube, man kann in der Jugendarbeit wahnsinnig viele Erfahrungen sammeln, die einen im Leben weiterbringen. Ich persönlich habe vor allem viele tolle Erfahrungen mit den Menschen im Sport gemacht, aber auch sehr früh gelernt, selbstständig zu arbeiten und dann auch die Verantwortung dafür zu übernehmen“, sagt Henschke.
Präsenz und Langfristigkeit als Schlüssel
Ganz anders sieht es aktuell beispielsweise bei der Badischen Schwimmjugend aus. Hier war vor einigen Jahren nach dem Ausscheiden des Jugendwarts die Position – und damit auch die Jugendarbeit auf Verbandsebene – zunächst verwaist. Erst im vergangenen Jahr konnte sie durch Lena Kleber wieder neu besetzt werden. Die Jugendvertretung befindet sich daher noch im Neuaufbau.
Auch hier gibt es einen Jugendvorstand mit Vorsitz und Stellvertretung sowie eine Vertretung der Aktiven. Im kleinen Team sind bereits die ersten Aktionen geplant worden. Beispielsweise ein digitales Bad-Quiz mit Gewinnspiel bei den Badischen Meisterschaften und eine Zusammenarbeit mit dem Präventionsmobil der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften.
Kleber erklärt: „Generell wollen wir erst mal wieder präsenter werden, damit die Schwimmer*innen mitbekommen, dass es uns gibt. Hierzu möchten wir vor allem die Wettkämpfe auf badischer Ebene nutzen. Langfristig möchten wir die Jugendarbeit auch wieder in die Vereine bringen, damit an der Basis im Badischen auch wieder mehr stattfindet. Hierfür haben wir angedacht, einmal im Jahr ein Treffen für alle Jugendvertreter*innen und -sprecher*innen zu organisieren. Dort soll sich dann ausgetauscht und die Vereine in ihren Aktionen und deren Planung unterstützt werden.“
Eigenes Budget für die Ideen der Jugend
Unterstützung bekommen die jungen Engagierten auch vom Badischen Schwimm-Verband. Der/die Vorsitzende des Jugendvorstandes ist, ebenfalls mit Sitz und Stimme, Mitglied des Gesamtpräsidiums. Auch ein eigenes Budget bekommen die jungen Leute zur Verfügung gestellt, mit dem sie ihre Ideen selbstständig umsetzen können.
Der Verband verspricht sich dadurch eine Nachwuchsgewinnung in allen Bereichen (Helfer*innen, Übungsleiter*innen, Trainer*innen, Ehrenamt). Gleichzeitig ist er sich aber auch der Herausforderungen, wie zum Beispiel der hohen Fluktuation bei jungen Engagierten bewusst und rät daher dazu, sich personell breit aufzustellen und früh in den Reihen der bereits Engagierten nach Nachwuchskräften zu schauen. Interessierte für die Mitarbeit im Team sind jederzeit gerne gesehen.
Vernetzung sorgt für gegenseitig Inspiration
Wieder anders ist die Thüringer Schwimmjugend (TSJ) um die Vorsitzende Julia Degenhardt aufgestellt. Neben der Vorsitzenden und ihrer Stellvertreterin gibt es noch ein Jugendvorstandsmitglied für Finanzen. Sieben weitere Beisitzer*innen unterstützen die Jugendarbeit. Durch die große Anzahl an Mitstreiter*innen kann sich jedes Teammitglied flexibel gemäß der eigenen Verfügbarkeit, Interessen und Stärken einbringen.
Gemeinsam werden die traditionsreichen Kinder- und Jugendwochenenden (KiWo, JuWo) geplant, Veranstaltungen wie das Landesjugendtreffen „Swim Life“ oder der „Weihnachtszauber“ gestaltet und sogar eine eigene Jugendzeitschrift – der „Chlorreiche Badelatsch“ – für die Thüringer Schwimmer*innen herausgegeben.
„Unser Ziel ist vor allem, dass sich die Kinder und Jugendlichen der Schwimmvereine in Thüringen kennenlernen, vernetzen und unterstützen können. Dadurch kommen natürlich auch Trainer*innen, Übungsleiter*innen, Vereinsvorstände und Eltern miteinander und mit uns in Kontakt und in den Austausch. Die jugendlichen Teilnehmer*innen unserer Veranstaltungen, die häufig im Jugendvorstand ihres Heimatvereins mitwirken, können voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren. Viele aktuelle Herausforderungen betreffen verschiedene Vereine, der gemeinsame Austausch darüber schenkt nicht nur Mut und Motivation, sondern auch viele hilfreiche Ideen und Tipps zum Umgang mit ebendiesen. Wir als Vorstand der Thüringer Schwimmjugend können dann ebenfalls unterstützen und aktuelle Themen auch an den Verband kommunizieren“, erläutert Julia Degenhardt die Zielsetzung hinter den Aktionen.
Ich möchte mich engagieren und mit neuen Ideen meinen Lieblingssport vertreten und für Kinder und Jugendliche attraktiv gestalten.
Zudem verweist sie auf den Bildungsanteil der Veranstaltungen: „Die jüngeren Kinder besuchen zum Beispiel ein Planetarium, oder wir machen einen Workshop zum Thema Kinderrechte oder Nachhaltigkeit. Bei den Jugendwochenenden standen in den letzten Jahren Themen wie Anti-Doping und Veranstaltungsplanung im Verein im Fokus.“
Jahrelanger Kontakt mit Kindern und Jugendlichen
Diese regelmäßigen Aktivitäten sind auch ein Rezept, um Jugendliche frühzeitig an die Jugendvorstandsarbeit heranzuführen. Degenhardt sagt: „Für jedes Alter ab sechs Jahren bieten wir Veranstaltungen an. So sind wir mit Kindern und Jugendlichen über viele Jahre in Kontakt. Einige unserer jetzigen Vorstandsmitglieder haben selbst ab dem Kindesalter am Kinderwochenende und später Jugendwochenende und ,Weihnachtszauber‘ teilgenommen. Aus unterschiedlichster Motivation tragen sie jetzt als Vorstandsmitglieder und Betreuer*innen dazu bei, dass die jungen Teilnehmer*innen ebenso bereichernde und tolle Erfahrungen auf unseren Veranstaltungen machen können.“
Karoline Kny, 2. Vorsitzende der TSJ, kann das nur bestätigen: „Ich möchte mich engagieren und mit neuen Ideen meinen Lieblingssport vertreten und für Kinder und Jugendliche attraktiv gestalten. Zusammen mit einem super Team habe ich Lust, tolle Veranstaltungen zu planen und mich für die Gemeinschaft einzusetzen.“ Auch Johann Hoffmann (Beisitzer TSJ) gibt seine Erfahrungen gerne weiter: „Ich finde es klasse, wenn Sportler*innen sich neben dem Wettkampf oder der Schwimmhalle treffen und etwas abseits des Schwimmens unternehmen. Daher finde ich die Idee von KiWo, JuWo und ,Weihnachtszauber‘ toll und freue mich, daran mitzuwirken.“
Die Nachwuchsleute von heute sind die Engagierten von morgen
Drei Landesschwimmjugenden, drei verschiedene Modelle – aber eines haben sie alle gemeinsam: Junge Menschen erhalten die Möglichkeit, sich aktiv in die Gestaltung der Verbandsaktivitäten einzubringen, partizipieren an Entscheidungen und lernen Prozesse und Abläufe kennen. Darüber hinaus lernen sie Projekte zu managen, Verantwortung zu übernehmen und stärken ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen. Die besten Voraussetzungen also, um später weitere Funktionen im Verband zu übernehmen. Dass Kai Morgenroth (Hamburg) aus dem heutigen DSV-Vorstand lange Jahre auch in der Deutschen Schwimmjugend engagiert war, sei hier daher auch noch mal erwähnt.
Tipps für gutes Gelingen in der Jugendarbeit und die Ansprache junger Engagierter:
Für Vereine und Verbände:
- Jugendliche direkt ansprechen, zum Beispiel bei Veranstaltungen, Wettkämpfen etc.
- Flexible Beteiligungsmodelle bieten (anstatt starrer Ämterstrukturen)
- Flache Hierarchien und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten etablieren
- Echte Mitbestimmung ermöglichen
- Frühzeitig mit Jugendlichen über Vorstandsarbeit austauschen, Hintergründe und Strukturen erklären
Für junge Engagierte:
- Eigene Ziele und Schwerpunkte setzen und diese Schritt für Schritt umsetzen
- Aufgaben, kleinere Projekte und Themengebiete im Team verteilen
- Möglichst häufig und regelmäßig Teamsitzungen durchführen (online/Präsenz), um Teamentscheidungen zu treffen, alle auf den neuesten Stand zu bringen, eventuell Unterstützung anzufordern und einfach miteinander in Kontakt zu bleiben
- Zunächst die eigenen Erwartungen nicht zu hoch setzen und sich von vermeintlichen Rückschlägen nicht entmutigen lassen
- Projekte gemeinsam evaluieren und aus Erfahrungen und Fehlern lernen
- Über den Tellerrand schauen und sich Anregung und Unterstützung suchen, zum Beispiel bei anderen Schwimmjugenden