Nicole Maier hat mit ihrer Olympiaqualifikation für die deutsche Schwimmstaffel die größte Überraschung der Saison geliefert. Die 24-Jährige aus Bottrop studiert in den USA und trainiert an der Miami University of Ohio. Nun stehen für sie die ersten internationalen Einsätze bei den Europameisterschaften und Olympischen Spielen an. Ihre Geschichte ist ein echter Aufstieg vom Talent zur Nationalathletin.
© Jo Kleindl
Mit ihrer Olympiaqualifikation sorgt Nicole Maier für die größte Überraschung der Saison. Höchste Zeit also, die US-Studentin mit russischen Wurzeln einmal näher vorzustellen.
Aufregende Wochen waren das zuletzt für Nicole Maier, und es werden noch weitere davon folgen. Auf die 24-Jährige aus Bottrop warten demnächst nämlich die allerersten Einsätze für die deutsche Schwimm-Nationalmannschaft: erst bei den Europameisterschaften in Belgrad (SRB) mit den Beckenwettbewerben vom 17. – 23. Juni, danach dann die Olympischen Spiele in Paris (FRA/26. Juli – 11. August). „Das werden sicher tolle Erfahrungen und Begegnungen auch abseits des Pools. Im deutschen Team kennt mich bis auf Julia Mrozinski, die wie ich in den USA studiert, bislang ja noch niemand persönlich“, sagte sie. „Zwei so große Wettkämpfe kurz hintereinander, das ist natürlich viel auf einmal. Aber dafür trainiert man ja, deswegen bin ich sehr glücklich und sehe das als positiven Stress.“
„Nach Paris zu fahren ist Belohnung nach all der harten Arbeit”
Eben noch unbekannt, jetzt plötzlich im Märchenland: Als Maier sich im April als Viertschnellste für die deutsche Olympiastaffel über 4x200m Freistil qualifizierte, erschien das vielen tatsächlich als die größte Überraschung der Saison. Aufgefallen war sie bis dahin nur wenigen. Die erste Teilnahme bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften gelang zwar wie meist üblich im Alter von 13 Jahren, den Sprung in eine der Nachwuchs-Nationalmannschaften schaffte sie danach aber nie. Mit Beginn des Studiums der Medienkommunikation (offizielle Bezeichnung: „English Professional Writing“) an der Miami University of Ohio in Oxford (USA) entfernte sich Maier im Herbst 2019 dann aber noch weiter aus dem Blickfeld der Bundestrainer, lediglich zwei zweite Plätze bei den Deutschen Meisterschaften 2022 (damals allerdings in Abwesenheit des WM-Teams) deuteten ihr zunehmendes Potenzial zumindest schon einmal an.
Unter ihrer Trainerin Hollie Bonewit-Cron machte Maier in Übersee kontinuierlich Fortschritte, die sie dann doch irgendwann von Olympia träumen ließen. Das Meeting in San Antonio (Texas) wurde als Möglichkeit zur Olympiaqualifikation ins Visier genommen. Die Nachfragen dazu beim DSV sorgten auch rechtzeitig dafür, dass ihr Name ordnungsgemäß auf der Longlist fürs Olympiateam landete. „Ich habe Paris schon irgendwie im Kopf gehabt und darauf hingearbeitet“, sagte Maier nun auch. „Vor Ort in San Antonio habe ich mir dann aber gar nicht so sehr einen Kopf gemacht, weil ich zwei Jahre lang keinen Wettkampf mehr auf der 50-Meter-Bahn geschwommen war.“ Schließlich wird im Collegesport meist auf der kurzen Yards-Bahn trainiert, erst zum Sommer hin wird der Pool in Oxford umgebaut auf Langbahn. Nichtsdestotrotz lieferte sie auf den Punkt mit 1:58,39 Minuten eine starke neue Bestzeit ab, als Vorlaufleistung brachte sie zudem eine 2:00,08 in die Wertung für die Staffelqualifikation.
Maier ist auch schulisch erfolgreich
Danach hieß es erst einmal warten, was die folgenden Rennen in Deutschland bringen. Bei der DM in Berlin zu starten war für Maier nämlich keine Option. „Wegen der anstehenden Bachelor-Prüfungen hätte ich nur ganz kurzfristig anreisen können, mit dem Jetlag in den Knochen hätte ich meine Zeit dort wohl auch nicht mehr verbessern können“, so Maier. Morgens stand sie dann in Ohio auf und sah die Vorlaufzeiten in Berlin. „Das war alles sehr emotional an diesem Tag. Nach den Vorlaufzeiten dachte ich, dass es für mich nicht reichen wird. Das 200-Meter-Finale in Berlin habe ich dann um die Mittagszeit live verfolgt, im Anschluss habe ich immer wieder die Durchschnittszeiten nachgerechnet. Und so richtig an den Olympiastart geglaubt habe ich trotzdem erst, als dann die offizielle Mail vom DSV kam.“
Dass die Karriere-Spätzünderin in diesem Jahr auf einer perfekten Welle unterwegs ist, zeigt sich auch darin, dass sie drei Wochen später den Bachelor-Abschluss schaffte. „Das war schon anstrengend, erst alles abgeben und später auch die Zeremonien über mehrere Tage“, so Maier. Natürlich sind ihrem Umfeld nun alle mächtig stolz auf sie. „Die Reaktionen waren überwältigend. Und viele wollen nun sogar nach Paris kommen und mich anfeuern.“
Für den Masters-Studiengang ist trotzdem der Wechsel an eine andere Uni im Herbst sehr wahrscheinlich. Ihre berufliche Zukunft kann sich Maier übrigens mal als Dolmetscherin vorstellen. Neben Englisch und Deutsch spricht sie nämlich auch fließend Russisch. Ihre Familie stammt aus Russland, ihre beiden älteren Geschwister sind sogar noch dort geboren, bevor ihre Eltern wegen der besseren Entwicklungschancen ins Ruhrgebiet umzogen.
„Das wird mein erster internationaler Wettkampf, das ist alles neu für mich.”
Doch zurück zur Olympiavorbereitung, die sie ab Juni nun in Deutschland bestreitet. Natürlich wird Maier dann auch bei ihrem langjährigen Trainer Vassili Strischenkoff von der SG Gladbeck/Recklinghausen vorbeischauen, meist aber bei Stephan Wittky und Nicole Endruschat am Bundesstützpunkt Essen trainieren. Ihrer Verantwortung für die DSV-Staffel ist sich Maier dabei bewusst. „Das wird mein erster internationaler Wettkampf, das ist alles neu für mich. Aber bei den NCAA-Rennen oder bei der Pro Series trifft man auch auf absolute Topleute wie Katie Ledecky oder Caeleb Dressel, deswegen habe ich jetzt keine Angst davor“, sagt sie. „Nach Paris zu fahren ist Belohnung nach all der harten Arbeit, Schwimmen ist zwar seit meinem sechsten Lebensjahr ein schöner Teil meines Lebens, aber nun mal auch ein sehr trainingsintensiver Sport, und deswegen freut man sich dann auch entsprechend, wenn sich all die harte Arbeit so auszahlt.“