Als kühler Norddeutscher hat er seine Emotionen meist gut im Griff, doch mit jedem weiteren Interview kam die Freude an diesem Sonntag in Tokio noch deutlicher zum Vorschein bei Florian Wellbrock. Der 23-Jährige, der beim SC Magdeburg trainiert und in Bremen aufwuchs, hatte an diesem Sonntag auch allen Grund dazu: Bronze über 1500m Freistil war die erste olympische Einzelmedaille eines deutschen Schwimmers seit 21 Jahren. „Es fühlt sich sehr, sehr gut an. Besonders die Siegerehrung hat nochmal einen anderen Geschmack als bei einer Weltmeisterschaft“, sagte Wellbrock. Und eine weitere Medaillenchance bleibt ihm ja in Japan noch.
Die Analyse des 1500m-Rennens war für Trainer Bernd Berkhahn („Es lag nur am Endspurt“) und auch Wellbrock selbst ganz einfach. „Als amtierender Weltmeister hatte ich schon den Anspruch, das Ding zu gewinnen. Und es ist ein bisschen schade, dass ich die Jungs hinten nicht knacken konnte. Das war 2018 und 2019 ja meine Stärke. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Ich bin megazufrieden mit Bronze. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, keine Frage“, sagte Wellbrock am Nachmittag.
“Ich habe im letzten Jahr wahnsinnig viel trainiert. Ich bin dadurch mittlerweile in diesem Regenerationsprozess sehr gut und sehr schnell, deswegen bin ich optimistisch für das Zehn-Kilometer-Rennen.”
Der Deutsche hatte schließlich alles rausgehauen, was in ihm steckt, und auch taktisch nichts falsch gemacht. Schon bei der Hälfte des Rennens war diesmal alles auf einen Dreikampf ohne Gregorio Paltrinieri reduziert, Italiens Olympiasieger von 2016 wurde am Ende mit klarem Abstand Vierter. Nur Robert Finke (USA) und Mykhailo Romanuck (UKR) waren auf den letzten Metern wieder vorbeigekommen, dagegen war Wellbrock auch diesmal machtlos.
„Die Taktik war, die anderen beiden vorher etwas mürbe zu machen, damit es nicht so auf den Endspurt ankommt. Das hat heute leider nicht geklappt“, sagte er. „Ich wusste, dass der Amerikaner eine unglaublich starke letzte Bahn hat, die hat er dann auch gezeigt und verdient gewonnen. Das ist ja dann fast so schnell wie meine persönliche 50-Meter-Bestzeit. Aber wie gesagt: Ich bin mit Bronze superhappy. Gegen Gegner wie den Amerikaner oder Romanchuk zu verlieren, ist keine Schande. Jetzt muss ich regenerieren und freue mich aufs Open Water.“
Nach einem „extensiven“ Ausschwimmen über mehrere Kilometer am Sonntag trainierte Wellbrock bereits heute früh seit 06:00 Uhr Ortszeit zusammen mit den anderen Freiwasserstarter*innen Leonie Beck, Finnia Wunram und Rob Muffels erstmals im Gewässer am Odaiba Marine Park. Denn noch ist dort die Erfüllung des Goldtraums am Donnerstag (ab 06:30 Uhr Ortszeit / 23:30 Uhr MESZ) ja möglich für ihn: „Die beiden bisherigen Rennen haben natürlich viel Energie gezogen. Aber ich habe im letzten Jahr wahnsinnig viel trainiert. Ich bin dadurch mittlerweile in diesem Regenerationsprozess sehr gut und sehr schnell, deswegen bin ich optimistisch für das Zehn-Kilometer-Rennen“, betonte Wellbrock.
Bessere Bedingungen als erwartet
Bundestrainer Berkhahn hatte zudem gute Nachrichten über die aktuellen Bedingungen parat. „Wir haben uns eng beraten mit den Triathleten. Die haben uns mitgeteilt, dass die Wasserqualität sehr gut ist. Also deutlich besser als das, was bisher bekannt war von den Testevents. Auch ist die Wassertemperatur jetzt nicht so hoch, wie es zu befürchten war. Sie liegt bei 28 Grad, das ist einigermaßen okay und erleichtert es für die Aktiven schon mal ein bisschen.“ Der Eindruck bestätigte sich dann am Montag, einzig die schlechte Sicht aufgrund des doch sehr trüben Wassers wurde noch mal diskutiert.
Wellbrock sagte: “Das Wasser auf der Strecke ist sehr trüb. Man hat vielleicht eine Sichtweite von etwa 30 Zentimeter. Die Temperatur lag heute bei 28,3 Grad. Die Bedingungen sind also hart, aber insgesamt war es besser als erwartet. Es ist abzuwarten, wie warm es sich dann tatsächlich anfühlt, wenn man sich zwei Stunden bei Maximalbelastung in der Sonne und dem warmen Wasser bewegt.”
Auf die Unterstützung seiner Verlobten Sarah Köhler muss Wellbrock in der zweiten Olympiawoche verzichten. Sie hat bekanntlich ebenfalls Bronze gewonnen, muss wie alle anderen aufgrund der Corona-Auflagen aber zwei Tage nach dem letzten Rennen asm Montag bereits abfliegen. „Florian ist glücklich mit seiner Medaille. Da ist ganz schön was von ihm abgefallen“, weiß Köhler. Sie wird das 10km-Rennen mit ihren künftigen Schwiegereltern nun daheim im Livestream verfolgen. Seine Medaille hat er ihr am Sonntag jedenfalls gleich schon mal mitgegeben. Platz für eine zweite wäre damit.