Weltcupsieg und Rekordrausch für Kaylee McKeown

Raik Hannemann
Raik Hannemann
19:37

Australiens Schwimmstar krönt den Weltcup 2023 mit zwei Weltrekorden, aber auch Chinas Haiyang Qin gelingt in Berlin, Athen und Budapest eine eindrucksvolle Siegesserie.

Kaylee McKeown mit einem ihrer zwei Weltrekordschecks© pa/Attila Volgyi/Xinhua

Kaylee McKeown mit einem ihrer zwei Weltrekordschecks

Zum Abschluss des Schwimmweltcups stehen neuerdings Krone und Thron am Beckenrand bereit für Seriensieger*innen. Dass diese Zeremonie im Oktober beim Finale in Budapest (HUN) dann aber gleich 19-mal schöne Bilder liefern würde, damit hatte vorher so niemand gerechnet. Da stets auch noch 10.000 US-Dollar zusätzlich fällig werden, wenn jemand auf einer Strecke an allen drei Weltcup-Wochenenden hintereinander in Berlin, Athen (GRE) und Budapest gewinnt, musste der Weltverband World Aquatics seinen Prämientopf in diesem Jahr gehörig aufpumpen auf fast 1,5 Millionen US-Dollar.

Besonders oft lächelte Kaylee McKeown in die Kameras. Die 22-jährige Australierin bekam in Ungarn gleich drei Weltcupkronen aufgesetzt, weil sie in allen drei Städten jeweils alle drei Rückenstrecken gewonnen hatte – in Berlin gewann sie dazu auch noch über 200m Lagen, in Athen mit der Lagenstaffel. Doch damit nicht genug: Als Krönung verbesserte sie in Ungarn auch noch die Weltrekorde über 50m und 100m Rücken auf 26,86 beziehungsweise 57,33 Sekunden. Was für ein fantastischer Start in die Olympiasaison!

Weltcupsieg und Rekordrausch für Kaylee McKeown, und dazu auch noch 186.000 US-Dollar

„Mit diesem Ergebnis habe ich niemals gerechnet. Das gibt mir zusätzliche Motivation und etwas Geld“, meinte McKeown. Wobei „etwas Geld“ dabei charmant untertrieben ist: Zu den 100.000 US-Dollar für den Triumph im Gesamtweltcup und insgesamt 30.000 für die drei Dreifachsiege kamen noch dreimal 12.000 für die einzelnen Meetingsiege in allen drei Städten und je 10.000 US-Dollar für beide Weltrekorde. Macht zusammen 186.000 US-Dollar in nur 17 Tagen, umgerechnet 175.000 Euro. Da sage noch jemand, beim Schwimmen lasse sich nichts verdienen.

Gelohnt hat es sich für McKeown auch sportlich, nach dem historischen WM-Triple Ende Juli in Fukuoka (JPN) auf einen längeren Urlaub zu verzichten und nach zwei Wochen aktiver Erholung gleich wieder voll ins Training einzusteigen. Mit ihrem Trainer Michael Bohl nutzte McKeown die Weltcuprennen nämlich auch ganz bewusst dazu, um gut austrainiert, aber ohne den ganz großen Druck internationaler Meisterschaften in den Rennen etwas Neues auszuprobieren bei den Frequenzen oder der Renneinteilung. „Wenn man nicht lernt, wächst man nicht, also muss auch ich nach diesem einen Prozent suchen, das den Unterschied machen kann. Ich bin froh, dass einige der ausprobierten Dinge funktionieren. Das ist ein gutes Sprungbrett für die Zukunft“, erklärte McKeown dazu.

SWC 2023: Die besten Frauen

  1. Kayle McKeown (AUS) 177,4 Punkte/186.000 US-Dollar Prämie
  2. Siobhan Haughey (HKG) 166,4/116.000
  3. Yufei Zhang (CHN) 166,2/72.000
  4. Sarah Sjöström (SWE) 165,5/59.000
  5. Erika Fairweather (NZL) 153,3/40.300

Drei Wochen Höhenluft direkt nach der WM zahlen sich aus

Auch Topathlet*innen anderer Nationen hatten die lukrativen Weltcuprennen voll in ihre Periodisierung integriert und trotz anstehender Olympiasaison und einer ungewohnten Zusatz-WM im Februar 2024 in Katar diesmal auf eine Sommerpause verzichtet. So auch Thomas Ceccon: Der Italiener absolvierte zwischen WM und dem Weltcupauftakt in Berlin sogar noch ein dreiwöchiges Höhentraining in der Sierra Nevada (ESP), um im Oktober voll angreifen zu können. Der Sprinter – in diesem Jahr Weltmeister über 50m Schmetterling – wurde mit je drei Siegen über 100m Freistil und 100m Rücken sowie einem weiteren über 200m Rücken in Berlin tatsächlich Weltcup-Gesamtzweiter hinter Haiyang Qin aus China und verdiente sich so satte 116.000 US-Dollar. „Das gibt mir Selbstvertrauen“, sagte Ceccon anschließend.

Wie McKeown war auch der Männer-Gesamtsieger Qin bereits in Fukuoka dreimal Weltmeister (inklusive Weltrekord über 200m) geworden, sein Durchmarsch auf den Bruststrecken beim Weltcup beeindruckte auch ohne weitere Weltbestmarke genauso wie jener von McKeown. Denn Qin war seit Juli quasi ununterbrochen im Einsatz gewesen, hatte im August auch bei der Universiade und im September bei den Asien-Spielen fortwährend mit absoluten Topzeiten triumphiert. Das setzte er beim Weltcup fort und ließ der versammelten Konkurrenz inklusive Weltrekordler Adam Peaty (GBR) bei dessen Comeback nicht den Hauch einer Chance. Und selbst nach Veranstaltungsrekorden hielt der sympathische 24-Jährige sich verbal nicht gerade zurück. „Ich bin dieses Jahr schon so viele Wettkämpfe geschwommen, dass mein Körper etwas müde ist“, sagte Qin schon in Berlin und kündigte an: „Im nächsten Jahr will ich auch noch die Weltrekorde über 50 und 100 Meter Brust verbessern, das ist mein großes Ziel.“

Inzwischen fielen 15 Weltrekorde im Jahr 2023

Völlig zu Recht wurden McKeown und Qin vom Weltverband anschließend auch zu den Schwimmer*innen des Jahres gekürt. Sie sind die Anführer einer neuen Ära des Schwimmsports, von der die nun insgesamt 15 neuen Weltrekorde in diesem Jahr zeugen. Seit dem Verbot der Hightechanzüge vor 13 Jahren hat es nicht mehr so viele Bestleistungen auf einmal gegeben. Und nach dieser Weltcupserie zweifelt niemand daran, dass sich die allgemeine Leistungsexplosion bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris (FRA/26. Juli – 11. August) fortsetzen wird, in der Spitze wie in der Breite.

SWC 2023: Die besten Männer

  1. Haiyang Qin (CHN) 175,4/166.000
  2. Thomas Ceccon (ITA) 167,9/116.000
  3. Matt Sates (RSA) 166,8/75.500
  4. Michael Andrew (USA) 162,9/43.000
  5. Danas Rapsys (LTU) 153,8/32.800

 

Umso erfreulicher, dass es auch deutsche Glanzlichter gab, obwohl die Frontmänner Florian Wellbrock und Lukas Märtens (stieg nach seinem ersten Vorlauf aus) diesmal gesundheitsbedingt passen mussten. Beim Auftakt in Berlin sicherten stattdessen Angelina Köhler (SG Neukölln) und Sven Schwarz (Waspo 98 Hannover) mit jeweils Silber die erhofften Podestplätze, auch steuerte Isabel Gose (SC Magdeburg) gewohnt zuverlässig wieder Top-Platzierungen bei. Zudem zeigten Nele Schulze, Ramon Klenz (beide SG Neukölln), Lucas Matzerath (SG Frankfurt) und Melvin Imoudu (Potsdamer SV) in ihren Finals, dass sie auf einem guten Weg sind und mit ihnen für Paris zu rechnen ist.

Angelina Köhler freut sich nach dem Anschlag über einen gelungenen Auftritt beim Heim-Weltcup© Jo Kleindl

Angelina Köhler freut sich nach dem Anschlag über einen gelungenen Auftritt beim Heim-Weltcup

Deutsche Glanzlichter durch Köhler und Schwarz

Kaum langsamer als bei der WM war auch Köhler im Oktober unterwegs, über 100m Schmetterling musste die 22-Jährige in 57,18 Sekunden nur Weltmeisterin Zhang Yufei (CHN/56,74) den Vortritt lassen, Bronze ging an Vorjahres-Weltmeisterin Torri Huske (USA/57,32). Nach WM-Platz fünf mit deutschem Rekord (57,05) und der anschließenden Urlaubspause hatte sie selbst nicht schon wieder mit solchen Topzeiten gerechnet.

„Wir haben zuletzt erst einmal viel Rumpftraining gemacht und an meinen Schwächen gearbeitet, vor allen an meinen Kicks. Man sieht hier nun, dass ich dadurch bereits einige Zehntel gewonnen habe und nach dem Start nun nicht mehr ganz so weit weg bin. Das gibt mir Sicherheit fürs nächste Jahr“, freute sich Köhler. Das Ziel Olympische Spiele, das sie 2021 wegen einer Coronavirus-Infektion noch sehr unglücklich verpasst hatte, rückt so jedenfalls bereits in greifbare Nähe. Die Olympianorm (57,90) ist im kommenden Jahr wohl Formsache. Und wenn es so gut weitergeht, rückt vielleicht ja sogar ein Podestplatz in Paris oder zuvor schon bei der Kurzbahn-EM im Dezember in Reichweite.

„Mit der Zeit habe ich echt nicht gerechnet, die ist schon echt stark. Das gibt ein gutes Gefühl für die kommende Saison.“

Ähnlich positiv gestimmt zeigte sich Sven Schwarz, der über 1500m Freistil in 15:01,17 Minuten Zweiter hinter Charlie Clark (USA/14:59,21) wurde. Der 21-Jährige hatte nach seinem Titelgewinn bei der U23-EM im August pausiert und gerade erst wieder losgelegt im Training. „Mit der Zeit habe ich echt nicht gerechnet, die ist schon echt stark. Das gibt ein gutes Gefühl für die kommende Saison“, meinte Schwarz.

Die Corona-Enttäusch von 2021 ist abgehakt

Auch er war vor Tokio 2021 noch von einer Coronavirus-Infektion ausgebremst worden und in den beiden Folgejahren an den Topstars Wellbrock und Märtens (noch) nicht vorbeigekommen. Diesmal will er es unbedingt packen. Dass mit Märtens der diesjährige WM-Fünfte in der neuen Saison auf die längste Beckenstrecke verzichten will, wird Schwarz sicher nicht einlullen: „Das wird deswegen nicht leichter. Auf den langen Strecken gibt es in Deutschland genug andere Topschwimmer, die ich erst noch rauskegeln muss.“ Zum Beispiel Oliver Klemet (SG Frankfurt), der in Berlin diesmal Vierter (15:18,92) wurde.

Premiere für die „Open Category“ fällt aus

Weltcupsieg und Rekordrausch für Kaylee McKeown, aber auch sportpolitisch sorgte der Weltcup ebenfalls für Schlagzeilen. Die für Berlin angekündigte Premiere von Rennen der „Open Category“ für Personen aller Geschlechter und Geschlechtsidentitäten musste allerdings kurzfristig aus dem Programm gestrichen werden, weil sich leider keine Aktiven für die Teilnahme registriert hatten. „Wir bedauern es sehr, dass die Initiative von World Aquatics augenscheinlich keinen Anklang gefunden hat. Umso wichtiger ist es jetzt, aktiv Ursachenforschung zu betreiben, zuzuhören und zu lernen, um funktionierende Ideen für zukünftige Projekte zu entwickeln“, sagte DSV-Vizepräsident Kai Morgenroth dazu. Beim Weltcup-Finale in Budapest waren zudem erstmals wieder Aktive aus Weißrussland am Start, als neutrale individuelle Athleten mit dem Länderkürzel „NIA“.

 

Kaylee McKeown und Qin Hanyang werden als Swimmer of the year ausgezeichnet© World Aquatics

Erst bei der WM und dann beim Weltcup in Topform: Kaylee McKeown und Qin Hanyang werden als Swimmer of the year ausgezeichnet