Als neulich der FC Bayern gegen Borussia Dortmund spielte, hat sich Julian Real den Abend extra freigehalten. Gute Fußball-Spiele schaut er recht gern im Fernsehen. Live gefällt ihm allerdings Wasserball besser, das kann man getrost sagen. In diesem kernigen Sport ist Real nämlich Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Die Auswahl des Deutschen Schwimm-Verbandes e.V. (DSV) wollte der 30-Jährige im März gerade zu den Olympischen Spielen nach Tokio führen, als das Coronavirus auch die gesamte Sportwelt von einem Tag auf den anderen zum Stillstand zwang.
Olympia in Japan und das Wasserball Qualifikationsturnier in Rotterdam (NED) wurden seither auf 2021 verschoben, doch der Bundesliga-Fußball fängt dieser Tage bereits wieder an zu rollen. Manch einer würde vielleicht neidisch, Real jedoch sieht den Unterschied zum Wasserball gelassen: “Ich bin nicht neidisch. Ich freue mich, dass damit langsam wieder Normalität zurückkehrt. Ich gucke selber gern Fußball und schöpfe daraus auch Zuversicht, dass es bei uns auch bald wieder losgehen kann.”
Training nur ohne Zweikämpfe und mit viel zu wenigen Würfen
Noch ist das Ende der Bundesliga-Pause im Wasserball nicht beschlossen. Wenigstens kann Julian Real am Bundesstützpunkt Hannover trotz der Pandemie inzwischen wieder im Wasser trainieren. Unter strikten Auflagen natürlich. Maximal vier Leute sind gleichzeitig im Wasser. Mit dem Ball wird deswegen weniger als sonst gearbeitet, an Zweikämpfe ist wegen des Abstandsgebotes erst recht nicht zu denken. Daher wird viel mehr Schwimmtraining absolviert als sonst. “Bestzeiten interessieren mich nicht. Natürlich wollen Wasserballer lieber mit Ball spielen und Tore werfen. Aber wir in Niedersachsen können ja noch froh sein, in anderen Bundesländer durften Nationalmanschaftskollegen fünf Wochen länger nicht ins Wasser als wir”, erzählt Centerverteidiger Real.
Viermal Training im Wasser und dreimal im Kraftraum sind bei Waspo Hannover pro Woche derzeit angesetzt, um das Fitnesslevel zu halten. Kann ja schließlich sein, dass die Bundesligasaison bald doch fortgesetzt wird – anders als beispielsweise die Ligen in Italien, Spanien oder Russland. “Ich hoffe auf eine frühe Entscheidung nicht erst im Juli, am besten am 01. Juni, ob es weitergeht”, sagt Real dazu: “Außer uns und Rumänien haben alle andere Ligen Europas die Saison abgebrochen. Die planen jetzt schon die neue Saison und stellen auch schon ihre Kader neu zusammen. Es gibt schon viele Transfers, wie man hört. Nicht, dass das zum Nachteil wird. Wir Deutschen werden im Moment ja nicht am Transfermarkt aktiv, weil die Saison noch nicht abgeschlossen ist.”
Als Teenager war Julian Real schon 2008 in Peking einmal dabei
Helfen würde jedwede Spielpraxis sicher auch in Hinblick auf das Ziel Olympia-Teilnahme. Und Real träumt von Olympia nicht nur, weil ihm die Stadt Tokio so sehr gefällt. Schon 2008 in Peking hat er einmal in Olympia teilgenommen, nie war ein deutscher Wasserball-Teilnehmer jünger. “Ich habe viele schöne Erinnerungen, vor allem an das Leben im Athletendorf. Das würde ich am Ende der Karriere gern noch mal miterleben”, sagt Real. Relativ schnell habe er sich daher mit dem verlorenen Jahr durch die Verschiebung abgefunden, die Motivation habe bei ihm nicht gelitten.
“Sportler sind bekannt dafür, dass sie nach Rückschlägen wieder aufstehen. Bei uns ist Weitermachen angesagt. Ich hoffe, dass dies in meiner Mannschaft möglichst viele auch so sehen”, sagt Real. Doch er weiß natürlich, dass dafür mitunter schwere Entscheidungen anstehen. Ein Teamkollege beginnt im August ein Referendariat, ein anderer bei der Feuerwehr. Wasserballer denken nun mal stets im Vier-Jahres-Rhythmus, viele hatten die Zeit nach dem Olympia-Sommer 2020 deswegen schon fest verplant. “Bei uns sind viele im Team kurz vor der 30. Da hat man natürlich auch im Hinterkopf, was in den nächsten 30 Jahren kommt”, beschreibt es Real. Er selber schreibt ab Sommer übrigens wie geplant die Masterarbeit in BWL und will dann je nach Saisonverlauf direkt ins Berufsleben starten.
Der kleine Sohn darf wieder zur Kita, aber Papa noch nicht zur Arbeit
Eine fast schon komfortable Konstellation in Hinblick auf die Olympia-Träume. “Im März war ich mir nach der guten EM und der Top-Vorbereitung sicher, dass wir uns in Rotterdam das Ticket sichern. Jetzt wird aber alles noch einmal neu gemischt. Man muss erst sehen, wer weitermacht und mit welcher Mannschaft wir nun im Februar antreten können. Das macht die Prognose schwer. Aber andere Teams haben diese Problematik auch”, sagt Real.
Eine gute Seite hatte die Zwangspause in diesem Frühjahr trotzdem. Real verbrachte viel Zeit mit der Familie. Seine Frau arbeitete im Homeoffice, auch Sohn Jakob (2,5 Jahre) blieb daheim. “Der Kleine hat sich gefreut, dass der Papa zu Hause war”, erzählt Real. “Nun kehrt aber langsam wieder Normalität ein. Mein Sohn darf wieder zur Kita, die Fußball-Bundesliga spielt wieder. Fehlt nur noch der Wasserball…”
Die Olympia-Qualifikation in Rotterdam
Bei den Olympischen Spielen treten beim Wasserball-Turnier 12 Teams bei den Männern an. Das Ticket für Japan gebucht haben bereits: Weltmeister Italien, Europameister Ungarn, Weltliga-Sieger Serbien, WM-Finalist Spanien, die USA, Australien, Südafrika, Kasachstan und Gastgeber Japan. Beim Olympia-Qualifikationsturnier in Rotterdam werden von 14. – 21. Februar 2021 noch drei weitere Startplätze ausgespielt, In Gruppe B trifft das DSV-Team dann gemäß der Auslosung auf Gastgeber Niederlande, den WM-Dritten Kroatien, Russland, Argentinien und Rumänien oder einen Asienvertreter. Die vier Gruppenbesten erreichen die K.o.-Runde.