Rekord im Ärmelkanal: Andreas Waschburger setzt sich ein Denkmal

Raik Hannemann
Raik Hannemann
09:28

Andreas Waschburger stellte sich einer der härtesten Herausforderungen im Freiwasserschwimmen: der Durchquerung des Ärmelkanals. Mit eisernem Training, prominenter Unterstützung und klarer Rekord-Mission wagte er das Abenteuer. Was er dabei erlebte – und welche Pläne ihn nun erwarten – erfahren Sie hier.

In seinem Leben hat Andreas Waschburger bereits so viele Kilometer schwimmend zurückgelegt, dass es für eine Weltrumrundung locker reicht. Trotzdem trieb es der 36-jährige Freiwasserschwimmer beim Trainingsumfang in diesem Jahr noch einmal voll auf die Spitze. „Woche für Woche wurden die Einheiten in diesem Jahr länger und länger, bis ich dann bei 30 Kilometer angelangt war. Man muss den Ernstfall vorher ja trainieren, sonst ist das auch mental nicht zu schaffen“, sagte der Polizeikommissar aus Saarbrücken. Daher gehörte auch Kältetraining regelmäßig zu seinem Programm.

Der Ernstfall: Das war für ihn hier der Ärmelkanal, jene rund über 32 Kilometer breite Meerenge zwischen England und Frankreich, die den Atlantik mit der Nordsee verbindet. Die Durchquerung – aufgrund der starken Strömung ist der tatsächlich zurückgelegte Weg dann meist sogar noch um einiges länger – gilt vielen Freiwasserschwimmer*innen als der Gipfel ihres Sports, vergleichbar mit dem Besteigen des Mount Everest. Sind die Bedingungen auch stets unwirtlich und die vielen Containerschiffe dort sehr gefährlich, kann man hier von einem Sehnsuchtsort sprechen. Auch Christian Hansmann, heute Sportdirektor im Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV), hatte sich am Ende seiner aktiven Karriere als Freiwasserschwimmer 2005 hier diesen extremen Traum unbedingt erfüllen wollen.

Christof Wandratsch überredete ihn zum Rekordversuch

Waschburger war die Durchquerung an sich aber nicht genug, er war auf den Rekord aus. Bei seinem ersten Weltcuprennen 2009 hatte er damals Petar Stoychev kennengelernt. Der Bulgare war Welt- und Europameister über die 25km gewesen und hatte dann 2007 den Rekord im Ärmelkanal verbessert, als erster Schwimmer war er damals unter sieben Stunden geblieben. „Die Rekordzeit prangte damals von all seinen Klamotten, das imponierte mir sehr und ging mir seitdem nie mehr aus dem Kopf“, erzählte Waschburger. Nun, da seine erfolgreiche Karriere nach Weltcupsiegen, EM-Medaillen und Olympiaplatz acht 2012 so langsam ausklingt, ließ er sich von der deutschen Freiwasserlegende Christof Wandratsch, der den Rekord vor Stoychev zwei Jahre lang gehalten hatte, zum Rekordversuch überreden. Beide Altmeister berieten ihn dabei und vermittelten ihm auch Michael Oram (GBR) samt dessen Begleitboot. Der erfahrene Skipper kennt den Ärmelkanal wie kein anderer und hatte auch schon die Rekorde von Wandratsch und Stoychev ermöglicht.

© Hylo Sport

Den ersten Anlauf im August stoppte Oram, weil das Wetter nicht mitspielte. Waschburger fuhr unverrichteter Dinge noch einmal heim, kehrte auf Orams Geheiß aber schon bald zurück auf die Insel. Denn der 08. September versprach plötzlich Traumbedingungen bei Windstille und 18 Grad Wassertemperatur. Morgens um 07:00 Uhr kraulte Waschburger dann in Dover auf der englischen Seite los und lag schon bald deutlich unter dem bisherigen Rekord. Maschinengleich kurbelten seine Arme, alle 20 Minuten wurde hochkalorische Flüssignahrung über die Reling des Begleitboots gereicht. Trainer Jan Wolfgarten hielt den Schwimmer per Schreibtafel ständig über den Vorsprung auf dem Laufenden.

Fünfstellige Summe wurde für den Rekord im Ärmelkanal investiert

Einen kurzen Moment der Unsicherheit gab es dabei nur, als das Guthaben aufgrund einer kurzzeitig stärkeren Gegenströmung von dreieinhalb auf zwei Minuten zusammenschmolz. Wirklich langsamer geworden war der eisenharte „Waschi“ da aber gar nicht. Später, als er mit der Strömung auf Cap Gris-Nez (FRA) zusteuerte, wuchs der Vorsprung dann aber noch einmal deutlich an. Als Waschburger mit beiden Füßen auf dem Festland stand, blieb die Uhr schließlich bei 6:45:25 Stunden stehen. Zehn Minuten schneller als der Australier Trent Grimsey auf den Tag genau elf Jahre zuvor. Andreas Waschburger hat sich damit selbst ein Denkmal gesetzt.

„Ich habe das Ganze schon als finalen Höhepunkt meiner Karriere gesehen.”

„Ohne meinen Sponsor Hylo, der mich schon seit Jahren unterstützt hat, wäre das alles nicht möglich gewesen“, betonte Waschburger später. Insgesamt kostete das Projekt mit der professionellen Begleitung eine fünfstellige Summe. In dem Fall war es eine lohnende Investition für alle. „Ich habe das Ganze schon als finalen Höhepunkt meiner Karriere gesehen. Ich will es nach der EM im Eisschwimmen im Februar in Rumänien, die ja nun erstmals mit Segen von European Aquatics ausgetragen wird, dann wirklich langsam ruhiger angehen lassen“, so der Rekordmann.

Einzelne Schwimmzeiten im Ärmelkanal

Wobei das längst nicht mehr sicher ist: Es gibt inzwischen nämlich schon Angebote und Versuche, ihn noch zu anderen Herausforderungen oder gar den gesamten Ocean’s Seven zu überreden – der härtesten Herausforderung, die das Freiwasserschwimmen zu bieten hat, bei der inklusive Ärmelkanal weltweit sieben höchst anspruchsvolle Meerengen durchquert werden müssen. Man darf gespannt sein, wie das ausgeht. Und auch auf die Resonanz auf den einstündigen Dokumentationsfilm über das Rekordrennen im Ärmelkanal, der im November erscheinen wird.