Erst vor rund eineinhalb Jahren lernte der ohne Arme und Beine geborene Buchautor und Motivationsredner richtig schwimmen, inzwischen verbesserte er den deutschen Rekord in seiner Startklasse und startet nun erstmals beim nationalen Saisonhöhepunkt. Ein Gespräch über ein Leben ohne Grenzen.

Janis McDavid wurde ohne Arme und Beine geboren, im Wasser bewegt sich vor allem durch Wellenbewegung seines Rumpfes voran
Neben den deutschen Paralympics-Siegern Taliso Engel und Josia Topf sind auch viele ausländische Topstars bei den 39. Internationalen Deutschen Meisterschaften (IDM) in Berlin (19. – 22. Juni) am Start. Zudem wird Janis McDavid in der SSE sein Debüt im Leistungssport erleben. Der 33-Jährige wurde ohne Arme und Beine geboren und machte sich bislang schon als Buchautor und Motivationsredner einen Namen. Nachdem er bereits die Herausforderung annahm, den Kilimandscharo zu besteigen und seine Rennfahrerlizenz erwarb, wandte er sich im vergangenen Jahr trotz traumatischer Kindheitserfahrungen im Wasser dem Schwimmsport zu. Nun ist er erstmals sogar beim nationalen Saisonhöhepunkt im Para Schwimmen dabei.
Herr McDavid, Sie schwimmen noch nicht so lange, nähern sich nun aber dem Topbereich des Para Sports an? Wie geht so etwas?
Janis McDavid: Erst einmal fühle ich mich wahnsinnig geehrt, dass ich jetzt in dieser kurzen Zeit schon die Möglichkeit habe, mich bei der IDM erstmals im offiziellen Leistungssport vorstellen zu dürfen. Das ist eine wahnsinnig coole Chance. Ich freue mich richtig darauf. Und ich hätte das selbst nie gedacht. Bei der IDM im vorigen Jahr war ich als Zuschauer da, zwei Monate vorher hatte ich das Schwimmen erst richtig gelernt. Damals habe ich noch gar nicht über Leistungssport gesprochen. Dass ich intensiv beim Berliner Schwimmteam trainiere, begann erst im September 2024.
Wie oft trainieren Sie denn inzwischen?
Angefangen habe ich über die ,Stiftung Deutschland Schwimmt‘, die in Nürnberg angesiedelt ist und für die ich inzwischen Botschafter bin, deswegen starte ich für Bayern. Da ich aber in Berlin lebe, kam es bald zum Kontakt mit dem Berliner Schwimmteam. Hier trainiere ich jetzt sechs bis acht Mal pro Woche.
Janis McDavid verbesserte nach kurzer Zeit den deutschen Rekord
Was sind die Ziele?
Vor einem Jahr habe ich noch gesagt: Zweimal die Woche Schwimmen zu gehen, um so fit zu bleiben, ist cool. Deswegen bin ich mit Zielformulierungen lieber vorsichtig. Bei den Süddeutschen Meisterschaften habe ich inzwischen den deutschen Rekord über 50m Brust in meiner Startklasse knacken können, den würde ich bei der IDM natürlich gern noch einmal verbessern. Und ich habe auf jeden Fall Bock, weiterzumachen. Ich hätte nie gedacht, dass mir Sport überhaupt Spaß machen kann. Das allein ist für mich schon eine sehr spannende Erkenntnis, mit der ich so niemals gerechnet hätte.

Am Donnerstag beginnt die IDM in Berlin: Janis McDavid wird erstmals beim nationalen Saisonhöhepunkt starten
Träumen Sie auch von den Paralympics?
Ich habe gerade erst angefangen mit dem Sport und deswegen sicherlich auch noch viel Potenzial für Verbesserungen. Mal schauen, wo die Reise hingeht. Und selbst wenn ich es vielleicht nie zu den Paralympics schaffe, ist die Entscheidung fürs Schwimmen sicher kein Fehler. Ich habe doch jetzt schon viel für mich persönlich gewonnen.
Was genau hat Sie eigentlich bewogen zu sagen: Ich will schwimmen, obwohl ich weiß, dass es wahrscheinlich eine Herausforderung wird? Sie sind als Kind ja mehrfach beinahe ertrunken.
Schwimmunterricht in der Schule war für mich eine Vollkatastrophe, weil einfach alle mit meiner Situation überfordert waren. Niemand hat sich getraut, irgendwas zu unternehmen. Das hat meine Angst und die Abneigung vor dem Wasser noch unheimlich verstärkt. Selbst der Nachhilfeunterricht mit einer Privatlehrerin hat meine traumatischen Erlebnisse weiter verstärkt.
Er musste erst die Angst vor dem Wasser und ein Kindheitstrauma überwinden
Das Thema Schwimmen und Janis McDavid war also abgehakt.
Genau, ich habe mich ohne Rettungsweste nicht in die Nähe von Wasser getraut. Aber dann kam die Stiftung „Deutschland Schwimmt“ auf mich zu. Sie haben es geschafft, bei mir gewissermaßen einen Schalter umzulegen. Sie haben mir weniger vom Schwimmen erzählt, sondern viel mehr vom Thema Wassergewöhnung. Von der Leichtigkeit im Wasser, wie sie bei Kindern vorgehen, aber auch bei Menschen, die aufgrund traumatischer Erlebnisse Angst vor Wasser haben. Das hat wirklich ganz, niedrigschwellig angefangen. Einfach nur Kopf unter Wasser halten und ausatmen. Um sich dann langsam weiter vorzutasten.
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Was genau meint langsam?
Ich bekam irgendwann einfach das Gefühl, ich kann mich noch ein letztes Mal darauf einlassen. Ich habe nicht wirklich daran geglaubt, aber es gehofft. Daher habe ich der Stiftung in jugendlichem Leichtsinn damals auch gesagt: Okay, wenn es klappt, dann werde ich gerne euer Botschafter, um dieses Thema noch stärker nach außen zu tragen. Mein Versprechen löse ich nun sehr gerne ein.
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Sicher haben auch die Trainer der Stiftung nicht allzu viele Erfahrung darin, jemandem ohne Arme und Beine das Schwimmen beizubringen. Wie ging das vonstatten?
Das A und O war das Thema Vertrauen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Vertrauen in meinen Trainer, das war das Allerwichtigste. Um dann überhaupt die Chance zu haben, auch dem Wasser zu vertrauen.
Vortrieb hauptsächlich mit einer Wellenbewegung seines Rumpfes
Wie genau?
Begonnen haben wir das Ganze in einem abgetrennten Bereich, abseits der Öffentlichkeit, so dass ich die Möglichkeit hatte, mich überhaupt darauf einzulassen. Sonst hätte ich das gar nicht erst gewagt. Die ersten Male war ich noch mit Neoprenanzug im Wasser. Ich wusste, da ist Auftrieb, der mich nicht untergehen lässt. So konnte ich erst mal positive Erfahrungen sammeln.
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Und inzwischen schwimmen Sie immer schneller.
Wir feilen mittlerweile viel an der Technik. Vortrieb kriege ich grundsätzlich über eine Wellenbewegung meines Rumpfes. Bei der IDM sind die 50m Brust meine Strecke. Dafür hole ich Vortrieb aus dem rechten Bein, das bei mir nicht ganz bis zum Knie geht. Beim Rückenschwimmen zusätzlich ein bisschen mit dem Arm. Das glaubt man erst gar nicht, aber das bringt ebenfalls ein bisschen Vortrieb.
Schwimmen ist der perfekte Sport für Inklusion
Sie sind bekannt als Motivationsredner. Ist es ebenfalls Ihre Botschaft, die Sie bei der IDM vermitteln wollen: Nur weil ich keine Arme und Beine habe, bedeutet das nicht, dass ich es nicht trotzdem schaffen kann?
Für mich ist es genau diese Botschaft, dass wir nie aufgeben sollten. Egal wie schwer oder wie aussichtslos irgendetwas aussieht, es geht immer weiter. Das Thema Schwimmen war für mich lange ein blinder Fleck. Ich war schon vorher viel als Speaker unterwegs und habe über Mut und Motivation gesprochen – hatte aber gleichzeitig diese Angst vor dem Wasser. Ich dachte mir irgendwann, da bin ich vielleicht auch nicht ganz ehrlich mit mir selbst. Es ist mir total wichtig, mich nicht einfach nur auf eine Bühne zu stellen und schöne Sonntagsreden zu halten. Ich stehe hinter dem, was ich tue und sage. Deswegen war es so bedeutungsvoll für mich, diesen Beweis zu erbringen und zu sagen: Okay, ich stelle mich dieser Angst, damit ich auf der Bühne, als Autor und in den Medien auch wirklich glaubwürdig bin. Dass das dann so explodiert und ich ein Jahr später bei der IDM mitschwimme, hätte ich allerdings selbst nicht für möglich gehalten. Das zeigt mir wiederum, wie cool es sein kann, wenn man sich traut, die eigene Komfortzone ernsthaft zu verlassen.
Sie fordern: Schwimmen sollte ein Grundrecht für alle sein – unabhängig von körperlicher Beeinträchtigung.
Das ist die Botschaft der „Stiftung Deutschland Schwimmt“, die ich vollends unterstütze. Ich will nicht, dass nur ein einziges Kind diese Erfahrung machen muss, wie ich sie erfahren habe. Ich will, dass alle Kinder eine Chance bekommen. Zusammen mit dem Deutschen Schwimmlehrerverband bildet die Stiftung Inklusionsschwimmlehrer*innen aus, um das wichtige Thema voranzubringen und aus dem Schwimmen noch viel, viel mehr herausholen können. Schwimmen ist als Sportart prädestiniert für Inklusion wie keine andere. Es ist im Grunde genommen fast egal, was du für Voraussetzungen oder Herausforderungen mitbringst. Durch die Schwerelosigkeit können sich fast alle Menschen im Wasser bewegen. Jedes ertrunkene Kind ist immer auch ein gesellschaftliches Versagen, weil wir nicht die richtigen Akzente setzen, damit alle Kinder einen ermutigenden Schwimmunterricht bekommen.
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