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Sie stand schon mit 17 Jahren im Weltmeisterschafts-Finale und gewann 2019 dann auch erstmals ein Weltcuprennen: Anna Elendt ist fraglos eines der größten Talente des deutschen Schwimmsports. Nach dem Abitur begann die Brustschwimmerin von der SG Frankfurt vorigen Sommer dann ein Studium an der University of Texas in Austin (USA) und trainiert seither im Team der Longhorns. Nun taucht die 19-Jährige aber wieder in der Heimat auf, um sich bei der DSV Olympiaqualifikation Beckenschwimmen in Berlin (16. – 18. April) ein Ticket für die Spiele in Tokio (23. Juli – 08. August) zu sichern. Ein Gespräch über Veränderungen.
Wie hast du dich in Texas eingelebt, Anna? Bist du schon zum Cowgirl geworden?
Anna Elendt: Mir gefällt es in Austin, ich fühle mich sehr wohl dort. Allerdings habe ich bislang nicht wirklich viel von der Stadt gesehen, wegen Corona sollen wir ja möglichst selten runter vom Universitätsgelände und lieber in der Sport-Bubble bleiben, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Mit Freunden habe ich hier aber mal eine kleine Bootstour unternommen – was ich dabei gesehen habe, hat mir echt gut gefallen. Das Positive bezieht sich bislang daher vor allem aber auf mein Umfeld beim Sport und an der Uni. Nur am Anfang war es ziemlich hart für mich, weil ich damals für insgesamt drei Wochen in Quarantäne musste. Erst zehn Tage allein, weil ich ja aus dem Ausland kam. Und dann gleich noch einmal zehn Tage, weil es im Studentenwohnheim einen Coronafall gab.
Hast du in den Dorms denn ein Zimmer für dich allein?
Ich habe mit Grace Cooper eine tolle Zimmerkollegin, die auch Schwimmerin ist (und mit zwei US-Staffeln im Vorjahr sogar Junioren-Weltmeisterin wurde, Anm. d. Red.). Sie hat mir sehr dabei geholfen, mich hier ganz schnell gut zurechtzufinden.
Inzwischen träumt sie sogar schon in Englisch
Welche Veränderung war die größte für dich in Übersee?
Ich erlebe gerade unheimlich viel Neues. Erst kürzlich habe ich gestaunt, wie schnell hier nach Schneechaos mit mehrtägigem Stromausfall wieder über 20 Grad und Sommerfeeling herrschen. Sportlich hat sich für mich vor allem die Anzahl der Trainingseinheiten verändert, früh am Morgen habe ich das zu Hause ja nicht so oft geschafft. Aber auch die kurzen Wege auf dem Campus beeindrucken mich: Zum Training laufe ich nur vier Minuten zu Fuß, zur Mensa sind es sechs und theoretisch auch zu den Hörsälen. Noch finden die Vorlesungen jedoch alle online statt. Und nicht zu vergessen ist da auch noch die Sprache, das war schon auch eine große Herausforderung am Anfang. Doch inzwischen träume ich sogar schon auf Englisch, zumindest wenn darin Menschen aus Austin vorkommen. Wenn ich von meinen Freunden zu Hause träume, wird noch Deutsch gesprochen.
Und was ist mit dem Klischee vom amerikanischen Fastfood?
Das gibt es hier wirklich reichlich. Aber ich war schon in Deutschland kein Fan davon, deswegen ist das für mich hier auch kein Problem. Und das Angebot in unserer Sportlermensa bietet zum Glück ausreichend Alternativen.
Im Training schwimmt sie nun viel öfter und intensiver Brust
Dann erzähle uns doch mal bitte etwas mehr zu den neuen Trainingsinhalten.
Hier trainieren wir öfter im Yardsbecken (25 Yards = 22,86 Meter, Anm. d. Red.), dienstags und donnerstags aber zum Beispiel immer auf der 50m-Langbahn. Das sind dann auch immer meine Haupteinheiten fürs Brustschwimmen. Generell übe ich hier jetzt viel mehr in meiner Spezialdisziplin als zuvor in Deutschland. Am Anfang hatte ich etwas Angst, dass meine Knie das so vielleicht nicht mitmachen, aber inzwischen habe ich mich gut dran gewöhnt.
Und welchen Effekt hat das bisher?
Dadurch, dass ich nun viel häufiger ganz nahe an meiner Wettkampfstrecke 100m trainiere und inzwischen auch sonst ganz oft dieses Rennen schwimme bei College-Wettkämpfen oder einfach nur unter uns im Team, vertraue ich mir selber viel mehr und weiß dadurch auch besser, was ich im Rennen wirklich erreichen kann. Zudem haben meine Trainerin Carol Capitani und mein Trainer Mitch Dalton mithilfe von Videoanalysen auch an meiner Technik gefeilt, wir haben vor allem an meinem Zugrhythmus und der Abstimmung zwischen Armen und Beinen gearbeitet. Und zuletzt dann auch noch viel an meinem Tauchzug, der ist jetzt echt besser geworden. Ich habe mir da zum Beispiel viel von Madison Cox (WM-Dritte 2017 über 200m Lagen, Anm. d. Red.) abgeschaut. Sie hat mir gezeigt, wann man am besten den Kick setzt – das hat mir sehr geholfen. Der Austausch im Team ist hier echt prima. Es sind ja noch einige andere dabei, die zu Olympia wollen – und alle gönnen es sich gegenseitig.
Du hast im Saisonverlauf mit Bestzeit über 100m Brust (1:07,50 Minuten) bei den US Open gewonnen, auch bei den im Universitätssport so wichtigen NCAA-Wettkämpfen geglänzt. Dein Hauptfokus lag aber trotzdem immer auf der Olympiaqualifikation, oder?
Das war von Anfang an so festgelegt und abgesprochen, dass die Olympischen Spiele oder in den kommenden Jahren Welt- oder Europameisterschaften immer das Wichtigste für mich bleiben. Ich bin auch weiterhin ganz eng mit meiner Frankfurter Heimtrainerin Shila Sheth in Kontakt, sie tauscht sich auch jede Woche mit den Coaches in Austin aus. Deswegen habe ich im März vor den NCAA-Championships auch anders trainiert als alle anderen in meiner Gruppe. Ich komme also mit dem klaren Ziel nach Deutschland, es in Topform zu versuchen, die Olympianorm zu erfüllen. Ich habe zwar auch die Spiele 2024 für mich auf dem Plan, möchte aber gern auch schon dieses Jahr dabei sein.
© Anna Elendt/Texas Longhorns
Anna will in Berlin Spaß haben und zeigen, was sie draufhat
Die Normzeit für Tokio liegt eine Hundertstel unter dem deutschen Rekord (1:07,01), denkst du oft daran und spürst vielleicht etwas Druck?
Natürlich habe ich das im Hinterkopf. Aber ich versuche, die Sache möglichst locker und positiv anzugehen. Darin sind die Amerikaner*innen echt gut, bei denen herrscht wirklich immer gute Stimmung. Und auch ich freue mich nun vor allem auf zu Hause und darauf, alle Leute aus dem Nationalteam wiederzusehen. Ich will in Berlin einfach Spaß haben und zeigen, was ich draufhabe.
Wie heftig werden die Diskussionen über Tokios Spiele, dafür nötige Impfungen für Aktive und eine mögliche Austragung ohne Zuschauer*innen in den USA geführt?
Natürlich ist das alles auch dort Thema in den Medien, aber ich gehe einfach davon aus, dass alles wie geplant stattfindet. Sich die ganze Zeit den Kopf über andere Szenarien zu zerbrechen, bringt einen da ja nicht weiter, wenn man sich qualifizieren will. Ich lasse alles auf mich zukommen und konzentriere mich lieber ganz auf mich. Meine Trainer*innen versuchen auch, Impfungen fürs Team zu ermöglichen.